Eine Beschwerde von Fred Haase
Jetzt sofort möchte ich mich, nach Einnahme von diversen Beruhigungsmitteln, mal so richtig beschweren.
Alle Welt redet von Vorurteilen und Diskriminierungen. Es trifft sich, dass unsere schöne Welt im Moment keine anderen Probleme hat und wir uns beschwerdefrei ausgiebig mit diesem Thema beschäftigen können. Ein Beispiel: Ständig bin ich als Generation Ü:70 bemüht, jahrzehntelang gesprochene und erlernte Worte zu bändigen um »korrekte Sprache« zu intonieren.
Heutzutage wird mittlerweile jedes Wort kommentiert und ein Mensch der Worte wird schnell in Schubladen nicht seiner Wahl gesteckt. Daher war ich froh, im Test der Apotheker Zeitung »Sind Sie Rassist?« 765 Punkte erreicht zu haben und damit als offene und menschenfreundliche Person identifiziert zu werden. Trotzdem sind leider »N….kuss«, »Z…….schnitzel«, »S…….fahren« in meinem erlernten Wortschatz betoniert.
Mit viel Einsatz versuche ich dann, von dem manchmal aus Versehen, aber unerwünschten ausgesprochenen Wort durch Wechsel in eine Fremdsprache (bevorzugt Chinesisch oder Holländisch) abzulenken. Oder wenn ich meiner Enkeltochter aus »Der Ölprinz« von Karl Marx vorlese, sitzt meine Frau hinter mir und immer wenn das Wort »I……« vorkommt, zieht sie mich am Ohr. Ich korrigiere umgehend: »Als Indigenas oder Native Americans, First Nations am Marterpfahl tanzten». So versuche ich Formulierungen wie »Alter weißer Mann« oder Xenophobie zu vermeiden. Trotzdem leide ich unter den Vorurteilen und manchmal sogar der Diskriminierung.
Es ist bekannt, dass ich Friese bin, identifizierbar durch Segelohren, Wattwanderlaufgang, sowie Sätze mit drei bis vier Worten, und werde dadurch brutal mit Vorurteilen konfrontiert.
Neulich auf einer Party, ich schick gemacht in einen Tweedanzug mit Fellmuster, an meinem Gürtel mit Silbernieten hing als Schmuckstück eine Hasenpfote, hellgrünes weit offenes Samthemd, damit mein Brusttoupet zur Geltung kommt. Blickfänger waren nicht meine Barfußschuhe, sondern der schachbrettgemusterte Cordhut. Eine Frau mit dezentem Schnurrbart fragte mich provozierend: »Fred, bist Du nicht Friese?« Ich bejahte, erwartete jetzt mindestens drei Komplimente. Stattdessen meinte sie herablassend, dass ihre Enttäuschung groß wäre. »Kein Elbsegler, kein Fischerhemd, keine Gummistiefel und keinen Friesennerz!«. Das disqualifiziere mich als ernsthaften Gesprächspartner über Krabbenfischerei und Tee. Sie drehte sich um, sagte noch provozierend »Du Fischkopp!« und ließ mich stehen. Das passiert öfter als sich der Leser vorstellen kann.
Oft wird, wenn ich einmal eingeladen werde, die LP von Hannes Wader »Plattdeutsche Lieder« aufgelegt. Die Aufforderung mitzusingen ist ein Affront, denn ich verstehe kein Wort. Oder ich werde zum Essen eingeladen. »Du als Friese von der Küste wirst gerne Fisch essen. Daher habe ich einen Backfischauflauf gekocht«, sagt der noch freundliche Gastgeber. Meine Mitteilung, dass ich keinen Fisch esse, wird ärgerlich zur Kenntnis genommen. Seit vielen Monaten warte ich nun vergeblich auf eine erneute Einladung.
Gut, dass ich das Seminar »Wie vermeide ich Ausgrenzung« belegt habe. Wenn ich jetzt nach meiner Herkunft gefragt werde, sage ich stolz »Weltbürger« und singe dann mit einem freudigen Lächeln »Dat du min leefste büst«.