Die Geschichte des beliebten Rentiers
Als die Geschichte von Rudolph, dem rotnasigen Rentier in den USA 1939 erstmals veröffentlicht wurde, begeisterte das auf Anhieb viele Kinder und ihre Eltern. Heute ist die zeitlose, kommerziell erfolgreiche Geschichte vom erst ausgegrenzten Außenseiter in über 29 Sprachen übersetzt und passt perfekt zur Weihnachtszeit, in der explizit Toleranz, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Güte gepredigt werden.
Eine USA-weit operierende Kaufhauskette verschenkte immer zur Weihnachtszeit Ausmalhefte an die Kinder der Kundschaft. Um die kostengünstiger im eigenen Hause produzieren zu können, wurde der eigene Anzeigenverfasser Robert Lewis May damit beauftragt. Als Hauptfigur wählte May ein Rentier, weil seine Tochter Barbara diese so liebte, und auch, weil acht von ihnen den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen. Ab da ergänzt Rudolph als neuntes rotnasiges Leittier das schon damals beliebte Schlittengespann aus Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner und Blitzen.
Die Idee, dem Tier eine wie ein Scheinwerfer leuchtende rote Nase zu verpassen, kam ihm, als er beim Schreiben durchs Atelierfenster in dichten Nebel schaute, und weil Rot eine beliebte Ausmalfarbe ist.
Bei der Namensfindung gab wieder Tochter Barbara den Ausschlag. Sein Arbeitgeber hatte anfangs gegen die rote Nase noch Vorbehalte, da die mit Trinkern in Verbindung gebracht werden könnte, lenkte aber ein.
Bereits im Erscheinungsjahr wurden über 2,4 Millionen Exemplare mit großer, landesweiter Resonanz verschenkt.
Trotz des Erfolgs erhielt May nur eine kleine Pauschale, weil das Urheberrecht die Kaufhauskette besaß, das ihm 1947 übertragen wurde. 1949 wurde das Weihnachtslied »Rudolph, the Red-Nosed Reindeer« des singenden Cowboys Gene Autry Nummer-eins- und Millionen-Hit. Texter und Komponist war Schwager Johnny Marks. Bing Crosby, ein Wunschinterpret damals, lehnte es anfangs noch als zu jugendlich ab. Inzwischen ist es eines der meistgespielten Lieder aller Zeiten, bisher interpretiert von über 3.000 Künstlern.
Wenig später gab es rund um Rudolph auch ein reichhaltiges Repertoire an Bilderbüchern, Stofftieren und Spielzeug. Die erste TV-Produktion 1964, eine 45-minütige Fassung in Knetgummi-Technik, sprengte viele Rekorde.
Die überwältigende Popularität eines ursprünglich ausgegrenzten und drangsalierten Außenseiters erfuhr seitdem unzählige Ergänzungen, auch mit neuen Nebenfiguren, die alle weiter das Hässliche-Entlein-Prinzip beibehalten, ein positives Signal zu Diversität und Inklusion.
Rentiere gehören zur Gattung der Hirsche, in der als einzige dieser Art auch die Weibchen Geweihe tragen. Alle männlichen Individuen werfen es bereits im Herbst ab, alle weiblichen hingegen erst im Frühjahr. Weihnachtszeit ist Winterzeit und, da auf allen Abbildungen jedes Zugtier ein Geweih hat, könnte das Fragen zum Geschlecht provozieren. Doch so genau sollte das mit dem Geweih nicht genommen werden. Der Weihnachtsmann wie seine nordischen Schlittentiere sind Ausnahmeerscheinungen und hier unten kann schließlich kein Ren fliegen.
KuK wünscht allen Lesern ein Frohes Fest und einen guten Rutsch.
rr