Fred Haases Einkaufserlebnisse
Es war ein gewöhnlicher Samstagmorgen in Neukölln. Die Sonne mühte sich, durch graue Wolken den Tag zu optimieren, als ich mutig beschloss, meinen Wocheneinkauf bei IDLA zu erledigen.
Durch leichtes Vordrängeln schnappte ich mir einen der letzten Einkaufswagen und kurvte vergnügt wie ein Fahranfänger durch die vollen Gänge. Dabei wurde ich von manchmal verständnisvollen, aber meistens beleidigenden Kommentaren begleitet, unterbrochen von Durchsagen wie: »17 bitte zum Pfandautomaten!«. Meine großen Kopfhörer dämpften diesen Sprachlärm. Ich hörte meinen Lieblingssong in Dauerschleife: »Eisgekühlter Bommerlunder« von den Toten Hosen. Die Produktvielfalt ignorierte ich, kaufte alles, was ein Sonderpreisschild trug, um so meiner ungesunden Ernährung zu frönen.
Nachdem ich es geschafft hatte, meine Einkäufe ungeordnet in den Einkaufswagen zu verstauen, steuerte ich zielstrebig auf die Kassen zu. Drei Kassen waren geöffnet, und ich versuchte, die schnellste Schlange zu finden, da meine beiden Schildkröten zu Hause sicherlich schon sehnsüchtig auf meine Rückkehr warteten. An jeder Kasse standen vier bis sechs Kunden.
Ich stellte mich an Kasse eins an, an der nur vier Kunden vor mir waren. Eine ältere Dame leerte ihren Einkaufswagen jedoch in einem Tempo, als hätte sie alle Zeit der Welt. »Das dauert zu lange«, dachte ich und wechselte zu Kasse zwei, wo gerade eine junge Mutter mit ihrem niedlichen Kleinkind vor der Kassiererin stand. Doch dann musste ich miterleben, wie dieses kleine, niedliche Wesen plötzlich beschloss, dass jetzt der perfekte Moment für einen Wutanfall sei. Die Mutter versuchte minutenlang, beruhigend auf ihr Kind einzureden, während die Kassiererin geduldig wartete.
»Oh Gott«, dachte ich und wechselte zu Kasse drei. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die ältere Dame an Kasse eins gerade ihr Portemonnaie öffnete, wahrscheinlich um den passenden Betrag zu zahlen. Ich lächelte äußert zufrieden, da ich wusste, dass bei solchen Aktionen immer zwei bis sieben Cent fehlen und dann die Kartenzahlung ins Spiel kommt. An meiner Kasse stand nun ein Mann in Bauarbeiterkleidung mit einem einzigen Artikel auf dem Band vor der jungen Kassiererin. Perfekt! »Endlich Glück gehabt«, durchströmten mich Glückshormone. Auch die anderen vier Kunden vor mir sahen leicht abkassierbar aus. Doch als der Mann an der Reihe war, stellte sich heraus, dass sein Artikel keinen Barcode hatte. Die Kassiererin musste jemanden aus der Obst- und Gemüseabteilung rufen, um den Preis zu scannen.
Ich atmete tief durch und machte Entspannungsübungen mit einigen Atemtechniken, erworben in einem Intensivkurs der VHS. Die äußerst irritierten Blicke der anderen ignorierte ich standhaft. An Kasse zwei hatte sich mittlerweile eine sehr lange Schlange gebildet, weil das Kleinkind sich schreiend auf den Boden gelegt hatte. Diesmal werde ich nicht wechseln, dachte ich resigniert, sah aber erleichtert, wie an meiner Kasse endlich der Preis für die Ware ermittelt wurde. Da ich in Gedanken versunken war, hatte ich den Anschluss an meine Schlange verloren, wodurch eine nicht zu unterschätzende Lücke entstand. Bevor ich reagieren konnte, drängte sich plötzlich ein Mann mit einem riesigen, schwer zu manövrierenden Einkaufswagen in die Schlange: »Ich hatte nur was vergessen!« sagte er und zwinkerte mir zu, als er sich vor mich stellte. Ich musterte seinen gut trainierten Körper und beschloss, ihm mit großzügiger Geste den Platz in der Schlange zu überlassen. Nachdem ich endlich bezahlt hatte und den Supermarkt verließ, schwor ich mir, nie mehr eine Kasse zu wechseln.
Vor dem Supermarkt wurde gerade der Transporter des Lieferservices »Flinkes Faultier« beladen. Wäre das eine Option für mich? Nein, denn die Erlebnisse beim Einkaufen sind ein Elixier aus Staunen, Ärgern, Freuen und außerdem dokumentarisches Material für einen kleinen Artikel in Kiez und Kneipe.