Cichetti, Kassetten, Kohlrabi und Currys

Übernahmen und Wiedereröffnungen in der Reuterkiezgastronomie

Das Bäumchen-wechsel-dich in der hiesigen Gastrolandschaft hat wieder an Dynamik zugelegt. Bock und Personal und Publikum sind noch da, zum Glück.
Experimenteller Musik und/oder belgischen Bieren zugewandte Menschen schätzen die »O Tannenbaum«-Bar des Musikers Pieter Kock, seit 2017 in der Hermannstraße ansässig. Bereits vor einem hal­ben Jahr wurden mit der Weserstraßen-Eckneipe Ecke Tellstraße – zuletzt war hier das »Zum Krokodil« – zusätzliche, größere Räumlichkeiten gefunden. Der Tresen ist gewohnt lang, der Raucherraum verraucht, die unordentliche Mischung aus Einrichtung und Gästen erzeugt einen kreativ-chaotischen Schmelztiegelvibe.

O Tannenbaum. Foto: hlb

Gleich am Eingang bietet mitunter der »Zapa«-Pop-up-Plattenladen rare Vinyle und Musikkassetten(!) abseits des Mainstreams feil und DJs legen Überraschendes auf. Die »Schanki« (»Schankwirtschaft_O_Tannenbaum«) lässt mit Bier, Snacks und harten Sachen den Tannenbaum-Spirit weiterwachsen.
Die urige Gastrobar »Barettino« war für gutes italienisches Essen, gerade auch draußen zum Brunch, Trinken und Atmosphäre beliebt – doch schloss zum Jahreswechsel abrupt. Die Nachmieteranfrage nahmen Liza und David Regehr vom sonnenreichen »Gran Casino«- Pizza- und -Pasta-Ristorante schräg gegenüber dankend an. Just eröffnete das »Barettino« neu – als Weinbar.

dolcefarniente.      Foto: hlb

Markante, gern französische/elsässische Naturweine, Pet Nats, Champagner, aber auch das einladende Interieur mit Stuck, Spiegeln, Bildern, Marmortischchen, Kaminofen und Vinylmusik treffen den insbesondere femininen Feierabendnerv. Venezianisch belegte Cichetti-Brote sind leckere Begleithäppchen für gepflegtes Dolcefarniente (süßes Nichtstun).
Nicht neu, aber nach 16 Monaten wieder da ist Jonas Merold mit seinem regional-saisonalen Besserschmeckerrestaurant »merold« an der Pannier- Ecke Pflügerstraße. 2021 eröffnete der Tim-Raue-Schüler hier sein erstes eigenes Lokal, das mit seiner Koch- und Fermentierkunst stadtweit Kenner überzeugte. Dann wurden die Bausubstanz, Böden, Statik und Kellernässe des alten Hauses zum Problem, die Sanierungen zogen und zogen sich. Aber Merold konnte fleißig und zäh überbrücken und bietet nun auf kleiner, feiner Karte wieder neudeutsche (Nicht-zu-)Edelküche, bio und samt Wirtshausigem wie Bratwurst, Tartar oder Rinderbacke. Produktfokussiertes Dinieren für Pärchen wie Gruppen.

Curry und mehr. Foto:hlb

Weniger gediegen, eher schlicht und familiär – wie beim Vorgänger, dem griechischen Familienbetrieb »Cafe a’lu«– isst es sich am Reuterplatz im »Curry Ceylon«. Würzige srilankesische und südindische Gerichte wie »Bio-Lamm fried Reis«, aber neben Currys diverser, natürlich auch vegetarischer Art auch »Appa« (Pfannkuchenschalen aus Reismehl und Kokos), »Kottu Roti« (Pfannengerichte auf Basis von Fladenbrotstücken) oder nepalesische »Momo«-Teigtaschen zeugen von jungindischer Individualität.
Es bleibt bunt und bewegt im Kiez.

hlb
Barettino, Reuterstraße 59, Mi – So 17 – 01 Uhr, www.barettino.de
Schankwirtschaft O Tannenbaum, Weserstr. 19, tgl. ab ca. 16 Uhr, Instagram: otannenbaumberlin
merold, Pannierstr. 24, Mi – Sa 19 – 23 Uhr, www.restaurant-merold.de, Instagram: restaurant_merold
Curry Ceylon, Nansenstr. 3, Mi – Mo 17 – 23 Uhr