Ökosystem statt Eigentumswohnungen

Initiative »Emmauswald bleibt« kämpft weiter für Neuköllns größten Wald

Es ist still auf den verschlungenen Wegen, große alte Bäume spenden Schatten und Kühle in der brütenden Hitze des Sommers. Der Emmauswald auf einem ehemaligen Friedhofsgelände am Mariendorfer Weg ist eine Oase im trubeligen Neukölln und eine der wenigen naturnahen Grünflächen in der Umgebung, die frei zugänglich und für alle nutzbar sind.

Roden unerwünscht.   Foto: mr

In den letzten Jahrzehnten konnte sich die Natur auf dem Gelände weitgehend ungehindert ausbreiten. Zu den dickstämmigen Laubbäumen, die einst für den Friedhof gepflanzt wurden, gesellt sich nun ein junger Wald aus Fichten und Douglasien. Dazwischen dichtes Unterholz, das kaum ein Durchkommen zulässt und Lebensraum für Vögel, Igel, Eichhörnchen, Füchse, Schnecken, Schmetterlinge und Insekten bietet. Zudem leistet der Wald einen wesentlichen Beitrag für die Grundwasserneubildungsrate, weil er das Wasser bei Starkregen speichert, und er sorgt außerdem für Kühlung in der Nachbarschaft. Genau das, was die Stadt braucht, um mit den Folgen der Klimakrise umzugehen.
Doch es steht schlecht um die Zukunft des 3,9 Hektar großen Waldgebietes. Eigentümerin der Fläche ist die »Buwog«, eine Tochter der »Vonovia«, die hier, in einer Gegend, in der bezahlbarer Wohnraum knapp ist und viele Menschen mit geringem Einkommen leben, einen modernen Wohnpark mit 440 Eigentumswohnungen mitsamt Tiefgaragen und befestigter Durchwegung errichten will. Dafür müsste ein großer Teil des Baumbestandes weichen.
Dagegen wehrt sich die Initiative »Emmauswald bleibt«. Eine gleichnamige Petition auf der Plattform »Change.org« haben inzwischen mehr als 16.000 Menschen unterschrieben. Auf Bezirks­ebene hatte sie damit auch Erfolg. Nachdem die »Berliner Forsten« den Friedhof offiziell als Wald deklariert hatten, lehnte die Bezirksverordnetenversammlung den Bebauungsplan ab, unter anderem auch wegen fehlender Ausgleichsflächen in der Umgebung.Den Vorschlag der Investoren, Ausgleichsflächen am Stadtrand oder gar in Brandenburg zu schaffen, fanden die Bezirksverordneten nicht überzeugend.
Aber der Senat scheint wild entschlossen, das Projekt gegen alle Widerstände durchzusetzen. Im September letzten Jahres zog er das Bebauungsplanverfahren an sich und entzog der Bezirksverwaltung damit die Entscheidungsbefugnis. Anträge von Grünen und Linken im Abgeordnetenhaus, die Zuständigkeit an den Bezirk zurückzugeben, wurden von der Koalition abgelehnt.
Der Senat verweist in der Debatte um das Waldstück immer wieder auf den dramatischen Wohnungsmangel. Allerdings werden hochpreisige Eigentumswohnungen dieses Problem kaum lösen. In unmittelbarer Nachbarschaft, auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik, stehen Dutzende neuer Wohnungen leer, nicht verwunderlich bei Mieten von bis zu 28 Euro pro Quadratmeter.
Die Initiative lehnt den Wohnungsbau keineswegs ab, fordert aber, dass er sich nach dem Bedarf im Kiez richten und für alle Neuköllner erschwinglich sein solle. Sie schlägt daher einen Kompromiss vor. »Es gibt direkt neben dem Wald eine große Brachfläche«, sagt eine Sprecherin. »Dort könnte man ganz einfach in die Höhe bauen, anstatt den Wald abzuholzen.« Zumindest die geplanten Sozialwohnungen könnten so gebaut werden, ohne das Gelände zu roden. Außerdem gebe es nach ihren Recherchen in Neukölln noch viele weitere Flächen, die für sozialen Wohnungsbau geeignet wären.

mr