Vom Umgang mit dem Erinnern

Das Museum Neukölln im Dialog mit der Stadtgesellschaft

DER Stein des Anstoßes. Foto: mr

Seit neun Monaten beschäftigt sich das Museum Neukölln mit dem Völkermord an den Herero und Nama in Namibia. Die Ausstellung »Buried Memories – Vom Umgang mit dem Erinnern«, die jetzt zu Ende ging, wurde begleitet von Führungen, Workshops, Performances und Seminaren. Die sollten dazu dienen, einen Dialog mit der Stadtgesellschaft in Gang zu setzen, um einen zeitgemäßen Umgang mit dem kolonialen Erbe zu entwickeln und zu einer Handlungsempfehlung für den künftigen Umgang mit dem sogenannten »Herero-Stein« auf dem Friedhof am Berliner Columbiadamm zu kommen, der seit über 100 Jahren in Neukölln steht und ebenso lang den Genozid an 70.000 Menschen verschweigt. Mit dem dritten Podiumsgespräch am 16. Juli endete dieses Begleitprogramm.
Es sei großartig, was Neukölln hier auf die Beine gestellt habe, lobte Israel Kaunatjike, ein in Namibia geborener Ovaherero, der sich seit Jahrzehnten in Berlin dafür einsetzt, dass Deutschland seine Verantwortung für die Kolonialverbrechen in Namibia anerkennt. Der Stein und die Diskussion darüber sei inzwischen international bekannt. Dem stimmte auch Kulturstadträtin Karin Korte zu. Das Projekt sei viel größer geworden, als es sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vorgestellt habe, als sie den Antrag stellte, den Stein zu entfernen. Inzwischen gebe es Kontakte zum Senat und zum Abgeordnetenhaus, der Bürgermeister von Namibias Hauptstadt Windhoek war zu Besuch, auch ein Schüleraustausch zwischen dem Albert-Einstein-Gymnasium und einer Schule in Namibia wurde in Gang gesetzt.
Auf dem Podium saß auch Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die ehemalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war die erste, die im Jahr 2004 in Namibia um Vergebung für die Gräueltaten der deutschen Kolonialmacht bat und sie als »Völkermord« bezeichnete. Sie forderte, dass Schluss sein müsse mit dem Verschweigen. Die Kolonialgeschichte gehöre in jedes Schulbuch und Schulaustauschprogramme und die direkte Kommunikation müssten gestärkt werden.
Hannimari Jokinen, Künstlerin und Aktivistin aus Hamburg, schlug vor, sich dem Problem künstlerisch beispielsweise mit Gegendenkmälern zu nähern.
Der Historiker Joachim Zeller aus Swakopmund in Namibia beschäftigt sich seit Langem mit kolonialer und postkolonialer Forschung. Er stellte die Frage, ob das Medium Denkmal überhaupt noch zeitgemäß sei und schlug vor, die Erinnerungen dorthin zu verschieben, wo die Menschen unterwegs sind: ins Internet.
Das Museum Neukölln wird nun auf Grundlage dieser Erkenntnisse der BVV eine Handlungsempfehlung unterbreiten, die laut Karin Korte voraussichtlich bereits im September in der ersten Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur nach der Sommerpause diskutiert werden könne. mr