»Öffentlicher Luxus« rückt in die politische Diskussion
Öffentlicher Luxus klingt zunächst nach Geldverschwendung. Das Gegenteil ist gemeint. Der Begriff stammt aus dem Englischen. Er umschreibt ein komplettes Programm, um alle wichtigen sozialen Aufgaben in die Hände einer demokratischen Öffentlichkeit zu geben, im Kern durch Vergesellschaftung aller wichtigen Aufgaben und Infrastrukturen. Ja, es handelt sich von der Zielsetzung her insgesamt noch um eine (utopische) Vision, gegliedert nach den Bereichen, die immer noch von kapitalistischer Profitlogik durchzogen sind. Antikapitalistisch ist es also. Das besondere dabei: Es wird nicht von Begriffen wie Sozialismus Gebrauch gemacht, auch wenn Bezüge auf Marx und Engels stellenweise vorkommen.
Die »BUNDjugend« und die Freiburger Forschungsinitiative »communia« verwenden neue Begriffe und Bilder. Durchgehend wird betont, das es sich im Rahmen der Demokratie und auch des Grundgesetzes verwirklichen könnte. Dabei wird hervorgehoben, dass Klimawandel und soziale Ungerechtigkeit nur zusammen bewältigt werden können.
Jeder der neun Beiträge zeichnet zunächst eine Bestandsaufnahme, die insgesamt als nicht nur eine, sondern mehrere Krisen gewertet werden. Alle Autorinnen und Autoren sind sowohl wissenschaftlich als auch politisch aktiv tätig und in der gesellschaftlichen Diskussion sehr bekannt.
Ein Beitrag beschäftigt sich mit einer feministischen Kommunalisierungsperspektive in der Sorgearbeit. Damit ist der Pflegesektor gemeint, der durch Privatisierung und Fallpauschalen in staatlichen Spitälern in die Krise geraten ist. Überwiegend Frauen arbeiten hier bei meist schlechter Bezahlung. Dem kann durch eine Rekommunalisierung des Sorgewesens abgeholfen werden. Städtische Sorgezentren könnten entstehen, die kostenlos und zugänglich für alle sind. Es liegt ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestages vor, das behauptet, es sei gesetzlich machbar. Mehrheiten in der Kommune, im Land und im Bund könnten schrittweise hergestellt werden.
Die »BUNDjugend« findet für das Ziel der Vergesellschaftung neue Worte. Es gehe um »Hände, die keine Münzen mehr zu zählen brauchen, Hände, die pflegen, wie und wann sie können, Hände die beständig sind, Augen, die sich anschauen, und Herzen, die Zusammenhalt fühlen«.
Alle Autorinnen und Autoren sind mit der Klima-, sozialen und gewerkschaftlichen Bewegung verbunden. Eine jugendlliche Frische drückt sich in der Sprache aus, der jedes Dogma fern liegt.
Die Visionen wollen eine »unverzichtbare Fülle«. »Stellen wir es uns einmal vor. Stellen wir uns die Last vor, die von den Schultern fällt, und die Energie, die plötzlich frei würde.« Natürlich nur, wenn eine Entprivatisierung aller sozial wichtigen Sektoren erfolgt, insbesondere der privaten »Care Arbeit«, zu der die überwiegend von Frauen gemachte Erziehung und Hausarbeit zählt, für die dann wesentlich mehr öffentlicher Raum und Personal erforderlich werden.
th
Öffentlicher Luxus, Dietz Berlin 2023.