Der »Zauberkönig« regiert seit 140 Jahren
Wenn das kein Grund zum Feiern und Zaubern ist: Der »Zauberkönig«, Institution und »Traditionsgeschäft für Zauber-, Scherz- und Vexierartikel«, wurde bereits 1884 gegründet. Am 13. Juli wurde diese 140-jährige Zauberregentschaft mit Shows und Schampus für Freunde, Familien, Kunden und alle, die sich gern verzaubern lassen, im und vorm Geschäft an der Herrfurth- Ecke Weisestraße gefeiert. Riesenseifenblasen durchwehten die Luft und zahlreiche, charmant anmoderierte Zauberkünstler unterhielten und begeisterten Jung und Alt mit ihren verblüffenden Tricks, mit Spielkarten, Münzen, Tüchern – und viel Assistenz aus dem Publikum.
Natürlich gab es auch reichlich über die – auch bereits in Buchform dokumentierte – Geschichte des Kultgeschäfts zu erfahren, das 1952 aus der Friedrichstraße an die Hermannstraße zog und in Neukölln seinen Status als wunderbar fantasievoller Ort, wo sich Zauber-, Scherz- und Dekoartikel, Kostüme, Masken und Spielwaren für alle Anlässe finden lassen, ausbaute. 2019 ging’s in die Herrfurthstraße in größere Räume samt einem kleinen Theater, dem »Kabinett«, wo nun auch Zauber- und Zirkusshows, Zauberkurse und -seminare, gerade auch für Kinder und Jugendliche, stattfinden.
Der aus Wien stammende jüdische Geschäftsmann Joseph Leichtmann gründete den Berliner »Zauberkönig« einst, 1910 gab es auch – in den letzten 22 Jahren leider geschlossene – Filialen in München, Köln und Hamburg. Leichtmanns Töchter leiteten dort mit ihren Partnern die Geschäfte. In Berlin war es Tochter Charlotte, deren Familie während der Nazidiktatur aber enteignet wurde. (Ihr späterer Suizid gehört zu den tragischen Aspekten der nicht immer nur glitzernden »Zauberkönig«-Geschichte.) Die damalige Angestellte Regina Schmitt übernahm und leitete den Laden jahrzehntelang, bis 1978 Günter Klepke, ein Zauberer aus Leidenschaft, und in den 90er-Jahren dann seine Tochter Mona Schmidt als Inhaber folgten. Seit 2012 schließlich führen Karen German (Klepkes Enkelin und Schmidts Nichte) und Kirsi Hinze das immer noch faszinierende, panoptikumartige und fast ein wenig aus der Zeit gefallene Geschäft, das Nostalgien weckt und kleine Fluchten aus dem Alltag bietet. Karen und Kirsi waren denn auch sichtlich gerührt von der Freude der zahlreich erschienenen Gäste ihrer Jubiläumsfeier.
Und was gibt es hier nicht auch alles an Zauberhaftem, Wundersamem, Gruseligem, Schönem, Lustigem und Bescheuertem: Blechspielzeug, Kreisel und Jonglierartikel, Perücken, Brillen, Bärte und Schminke, Ballons, Girlanden und Lampions zum Beispiel. Mit Blutkapseln und Senfbonbons lässt sich gut erschrecken oder ärgern, Derbes wie Quietschbusen, Furzmaschine, Nasenrotz oder (Plastik-)Scheiße bedient den ganz besonderen Humor. Vor allem aber sind es all die – auch per Onlineshop erhältlichen – Zaubertricks, -utensilien und -kästen, die die Bedürfnisse magiebegeisterter Kinder und anderer Einsteiger wie auch die von Profiillusionisten befriedigen und die den »Zauberkönig« so einzigartig machen. Möge er uns hoffentlich noch weitere 140 Jahre etwas Realitätsverlust schenken – lang lebe der König! hlb