Reiseführer in die Kolonialgeschichte

Bernd Heyl stellt »Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte« vor

Rund 30 Jahre lang, von 1884 bis 1915, war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia, eine Geschichte, die den namibischen Alltag bis heute prägt. Sie scheint auf in Straßennamen, Ortsnamen und historischen Denkmälern. Zudem sind die Deutschsprachigen eine der wohlhabendsten Gruppen des Landes. Die Problematik der deutsch-namibischen Kolonialgeschichte ist aber den wenigsten deutschen Besuchern bewusst.
Der Pädagoge und Gewerkschafter Bernd Heyl organisiert seit Jahren Reisen in das Land, bei denen genau diese Geschichte und das Erinnern an den von den Deutschen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begangenen Völkermord an den Ovaherero und Nama im Fokus steht. Auch Bärbel Ruben, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Neukölln, war mit ihm dort und hatte dabei die Gelegenheit, mit Lokalpolitikern, Vertretern von NGOs und Aktivisten zu sprechen.
Am 25. Mai führte sie im Schloss Britz ein Gespräch mit dem Reiseleiter über den deutsch-namibischen Umgang mit dem Erinnern.
Es werde eine »konservierte Kolonialgeschichte« sichtbar, das Beharrungsvermögen der Deutsch-Namibier sei enorm, fasste sie ihre Eindrücke zusammen. Es gebe viele liebevoll restaurierte Gebäude aus der Kolonialzeit, viele Denkmäler, die an deutsche Gefallene in den Kolonialkriegen erinnern, aber wenig, was auf die Tausende von Toten in der einheimischen Bevölkerung hinweise.

Bernd Heyl.      Foto: mr

Heyl stellte in diesem Rahmen sein Buch »Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte« vor. Sein »Postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte« beschäftigt sich mit diesen Orten unter dem Aspekt deutscher Gewaltherrschaft und afrikanischen Widerstands. Das Buch solle eine Lücke schließen zwischen der Wissenschaft und dem, was den Touristen vor Ort oder in den üblichen Reiseführern an Informationen geboten werde, erklärte er.
Der erste Teil des Buches widmet sich der Geschichte der Kolonialherrschaft im damaligen »Deutsch-Südwestafrika«, dem imperialistischen Zeitgeist in Deutschland, der Rolle christlicher Missionsgesellschaften und der Eisenbahn. Es geht um das Streben des Kaiserreichs, im Konzert der großen Kolonialmächte gleichberechtigt mitzuspielen. Heyl beschreibt, wie mit dubiosen Verträgen die einheimische Bevölkerung von ihrem Land vertrieben wurde. Der Widerstand dagegen wurde brutal niedergeschlagen, am Ende stand der Völkermord an den Nama und OvaHerero.
Im zweiten Teil geht es zu den beliebtesten Reisezielen, aber auch zu Orten abseits der touristischen Pfade. Heyl belässt es aber nicht bei der Beschreibung dieser Orte, sondern wirft einen Blick auf deren Geschichte und auf das Leid, das sich hinter den schön herausgeputzten Fassaden verbirgt. Über 200 aktuelle und historische Fotos illustrieren und vertiefen die Texte.
Das Buch ist nicht nur als Reisebegleiter ein Gewinn. Es ist für jeden interessant, der sich mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzen möchte.
mr
Bernd Heyl, Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte. Postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte
284 Seiten, Verlag Brandes & Apsel, 29,90 €