Wohin mit dem »Herero-Stein«?
Einen »Stein des Anstoßes« nennt Matthias Henkel, Leiter des Museums Neukölln, den sogenannten »Hererostein« auf dem Garnisonfriedhof am Columbiadamm.Mit diesem Denkmal werden namentlich sieben Soldaten der sogenannten Schutztruppe geehrt, die an der Niederschlagung der Aufstände der Herero und Nama im heutigen Namibia, den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts beteiligt waren und zwischen 1904 und 1907 gefallen sind.
Der Stein wurde 1907 errichtet und stand zunächst auf einem Kasernengelände in Kreuzberg. Seit 1973 steht er auf dem Friedhof. 2009 wurde eine Bodenplatte mit den Umrissen Namibias hinzugefügt, die an die rund 80.000 Menschen erinnert, die von deutschen Soldaten ermordet wurden. Zuvor hatten Initiativen und Vereine jahrelang dagegen protestiert, dass hier zwar an die Täter, aber nicht an die Opfer der Kolonialherrschaft erinnert wurde.
Der Stein sei anstößig aus heutiger Sicht, biete aber gleichzeitig einen Anstoß, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, sagte Henkel bei einer Podiumsdiskussion im Museum Neukölln, bei der es um die Frage ging: Wie gehen wir um mit einem Stein, der an Völkermörder erinnert statt an die Opfer des Genozids?
»Diese Frage beschäftigt Neukölln seit vielen Jahren«, sagte Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD). Ein Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung aus dem letzten Jahr fordert das Bezirksamt auf, das Ensemble neu zu gestalten und ein würdiges Denkmal für die Opfer des Völkermordes an den Ovaherero und Nama zu schaffen. Bei der Gestaltung des Denkmals sollen die Interessenverbände der Ovaherero und Nama einbezogen werden.
Der Herero-Nachfahre und Aktivist Israel Kaunatjike stellt klar: »Das ist kein Herero-Stein, das ist ein Stein, der Mörder repräsentiert. Das können wir nicht akzeptieren.« Es gehe um die angemessene Erinnerung an die Opfer eines Völkermordes, der von deutschen Soldaten begangen wurde. Die »respektlose kleine Platte« reiche dafür nicht aus. Außerdem gehe es um die Anerkennung der Schuld und auch um die Frage, warum Deutschland keine Reparationen zahlen will.
Urte Evert, Leiterin der historischen Museen der Zitadelle Spandau, schlug vor, den Stein in die Dauerausstellung in der Zitadelle Spandau aufzunehmen, in der Denkmäler gezeigt werden, die aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden.
»Wenn man alles beseitigt, was Anstoß erregt, erregt man gar keinen Anstoß mehr«, sagte dagegen Gabriele Dolff-Bonekämper, Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin. Den Stein nach Spandau zu entsorgen sei keine Lösung.
Einig waren sich die beiden aber darin, dass der Friedhof ein bedrückender Ort sei, der für ein Denkmal, das an die Opfer des Völkermords in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika erinnere, denkbar ungeeignet sei. Ein solches Denkmal gehöre in die Mitte der Stadt.
Neukölln habe diese Diskussion zwar angestoßen, aber das Thema sei viel größer, sagte Karin Korte abschließend und plädierte dafür, auch das Land und den Bund mit einzubeziehen.
mr