Umstrittene Straßennamen

Friedrich Ludwig Jahn, der »Turnvater«

Der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen hat ein Dossier erstellt, in dem er Straßennamen mit antisemitischem Bezug in den Blick nimmt. 18 davon befinden sich in Neukölln. Die Kiez und Kneipe stellt die Namensgeber vor.
Die Jahnstraße verläuft zwischen Buschkrugallee und Britzer Damm. Benannt ist sie nach Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), bis heute bekannt als »Turnvater Jahn«, Erfinder des Deutschen Turnens.
Anfang des 19. Jahrhunderts ist das gesamte deutsche Reich von Franzosen besetzt. Viele sehnen einen neuen Krieg herbei, der die Franzosen vertreiben und dazu beitragen soll, all die vielen kleinen Fürstentümer, in denen deutsch gesprochen wird, zu einem einzigen Vaterland zu vereinigen.
Jahn, Hilfslehrer am Berliner Gymnasium »Graues Kloster«, glaubte, durch körperliche Erziehung und vormilitärische Ausbildung die physische und moralische Kraft des Volkes zu stärken. 1811 richtete er in der Berliner Hasenheide den ersten Turnplatz ein, auf dem seine Schüler vielfältigen Leibesübungen nachgingen. Das Turnen war dabei in erster Linie gedacht als Vorbereitung für den späteren Kriegsfall.
Neben dem Kampf für die Freiheit ging es Jahn um die Abschaffung der Standesschranken und die nationale Einigung. Außerdem verknüpfte er die Idee der Wehrhaftigkeit mit der Forderung nach mehr politischen Rechten. Er forderte das Wahlrecht vorbehaltlos für alle christlichen deutschen Männer, die die Wehrpflicht erfüllt hatten. Damit waren allerdings automatisch die Frauen von der politischen Beteiligung ausgeschlossen, ebenso alle, die irgendwie als Fremde galten. Das betraf alle jüdischen Männer sowie die polnischsprachigen Männer, die auf preußischem Gebiet lebten.
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit waren fester Bestandteil der frühen deutschen Nationalbewegung.
1814, nach dem Sieg über Napoleon, kehrte Jahn nach Berlin zurück. Durch seine Ideen angeregt schlossen sich patriotische Studenten zur Deutschen Burschenschaft zusammen. Das Turnwesen wuchs über Preußen hinaus. Rund 100 Turnerbünde bildeten sich damals mit etwa 12.000 Mitgliedern, eine enorme Zahl in der damaligen Zeit.
Von der preußischen Regierung wurden seine Bestrebungen in der Zeit der Restauration nach dem Krieg bald mit Misstrauen beobachtet und als staatsgefährdend angesehen. 1819 wurde Jahn verhaftet und verbrachte danach sechs Jahre in Untersuchungshaft. Die Geräte auf der Hasenheide wurden abgerissen, die Turnanstalten geschlossen. Erst 1842 wurde die Turnsperre wieder aufgehoben. Jahn wurde der Prozess gemacht, der 1825 mit einem Freispruch endete; dennoch blieb er unter Polizeiaufsicht und unterlag bis 1840 dem Verbot der politischen Betätigung. 1848 wurde Jahn als Befürworter der demokratischen Monarchie in die Deutsche Nationalversammlung gewählt.
Sassmannshausen empfiehlt eine weitere Recherche und gegebenenfalls Umbenennung.

mr