Das mangelnde Licht

Vier Lebenswege in Georgien

Es ist ein Roman, der verschlungen werden will und der verschlingt. Nino Haratischwili erzählt so mitreißend, schonungslos und dicht, dass die mehr als 800 Seiten einen nächtelang wach sein und lesen lassen.
Im Mittelpunkt stehen vier Freundinnen: Keto, die Erzählerin, die später Restauratorin und Malerin wird, Dina, eine zukünftige Kriegsfotografin, Ira, später eine erfolgreiche Juristin, und Nene, die bei ihrem kriminellen Onkel aufwächst. Sie wachsen gemeinsamen in einem Hinterhof in Tiblissi, Georgien in den 80/90er Jahren auf.
Der Roman be­ginnt mit einer Szene, in der die vier in den Botanischen Garten einbrechen, um in den Brunnen zu springen. Es klingt idyllisch, doch dann kommt die Auflösung der Sowjetunion, 1991 die Unabhängigkeit Georgiens, wenig später der Sturz des ersten frei gewählten Präsidenten. Es folgen Bürgerkrieg und Chaos. Haratischwili erzählt von Mord, Kälte und Todesangst, von Zwangsverheiratung und Vergewaltigung, von Menschen, die ein Menschenleben kaum noch wertschätzen. Und der Gespaltenheit einer jungen Demokratie im Bürgerkrieg. Allem trotzt diese Freundschaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengt.
Viele Jahre später treffen Keto, Nene und Ira in Brüssel wieder zusammen, anlässlich einer Ausstellungseröffnung. Gezeigt werden Fotografien von ihrer toten Freundin Dina, der kompromisslosesten, lebenshungrigsten der drei, die die Freundinnen mit Macht zurückkatapultieren in die Vergangenheit.
Nino Haratischwili wechselt elegant zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie lässt wunderbare sprachliche Bilder entstehen, die lang im Kopf bleiben und einen in einen narrativen Sog ziehen.
Haratischwili, die auch Theaterautorin und Regisseurin ist, wurde 1983 in Tiblissi/Georgien geboren und lebt in Berlin. Weitere Bücher sind unter anderem »Die Katze und der General«, das »Achte Leben (Für Brilka)« und »JUJA«.

jr