Sacre Bleu!

Blaue Akzente im Weinbartrend

Gütiger Himmel oder Verdammt noch mal! So ließe sich »Sacre bleu« in etwa übersetzen. Weltweit kennt man diesen Ausruf des Erstaunens – den Franzosen allerdings kaum verwenden. Und so zeugt auch der Name des am 16. November offiziell eröffneten »Sacre Bleu!« nicht nur vom familiären Frankreichbezug des Inhabers Sven Breitenbruch, sondern auch vom Ziel, hier in der Kienitzer, im gleichen Haus wie das schicke Restaurant »La Côte«, eine erstaunliche, mit Klischees spielende Interpretation einer Weinbar zu etablieren.

WEIN, Tartar und Unterwäsche.      Foto: hlb

Erstaunlich schon, wie viele neue Weinbars sich weiterhin in die wahrlich nicht (natur)weinarme Nordneuköllner Ga­stroszene wagen; sei es seit Oktober die bei Ex-Pats beliebte »Bar Sway« in der Pannierstraße 29 oder seit Frühjahr das minimalistische »Le Balto« in der Hobrechtstraße 28, beide auch mit Snackangebot.
Nach fast sieben Jahren mit der »Kauz und Kiebitz«-Speisekneipe samt angeschlossener Cocktailbar »Truffle Pig« in der Reuterstraße überlässt Breitenbruch jedenfalls deren Betrieb nun seiner Geschäftspartnerin Lena Geßler, um sich mit Weinvertriebler Philipp Mogwitz und einem Team aus Wein- und Food-Enthusiasten, in dem Sommelier Alex und Chefkoch Ahmed wichtige Akzente setzen, seinem nächsten gastronomischen Schritt zu widmen.
Und der kommt sehr durchkonzeptioniert daher: Der Eintretende wähnt sich zunächst wie in einem Hotelfoyer, begrüßt von einem rezeptionsartigem Tresen mit Blumengesteck und provokant-laszivem Gemälde dahinter. Links laden taubenblaue Hocker an einer breiten Marmorbank zur Begutachtung des darüber dekorativ auf pilzartigen Regalen präsentierten Weinangebots und ersten Kostung. Hinten ist der schnörkellose Bistrobereich für gut 20 Leute. Ob das »bleue« Farbkonzept, die maßgefertigte Einrichtung samt Weinschrank, der türkische Kara-Marmor von der Neuköllner »Steinzeit«, der gesprenkelte weiße Boden oder die selbstbespannten Stühle: Hier wurde sorgfältig ausgewählt und investiert für einen edlen und doch lässig bespielbaren Genusstreffpunkt.
»Fuck off Industrieweine« fordert ein Sticker über der Eingangstür, und entsprechend kommen im »Sacre Bleu!« nur direkt bezogene und mit wenigen Eingriffen, Tricks und »Fehlaromen« erzeugte »Low intervention«-Weine persönlich bekannter Winzer vor allem aus Frankreich, Deutschland, Österreich und Spanien in die stilvollen »Spiegelau«-Gläser mit superdünnem Stiel. Rund 14 Posten »von klassisch bis funky« sind offen ab 5,50 bis zu 11 Euro pro 0,15 l-Glas verfügbar. Klar verlangt das nach pekuniärer Potenz der Gäste; die merken aber meist, dass die hier zu machenden geschmacklichen Entdeckungen durchaus ihren Preis wert sind. So wie die der tapasportionierten Gerichte, die außer auf französische Küche auch auf japanische oder italienische Einflüsse verweisen: Waldpilze mit Trüffel, Stängelkohl mit Salzzitrone, Grünkohl mit Rosenkohl und Mandel, Burrata, Hühnerleberpaté oder Gelbschwanzmakrele zeugen vom hohen Anspruch.
Also ruhig mal reinprobiert für ein paar bleue Stunden und: Santé!

hlb
SACRE BLEU! Weinbar, Kienitzer Str. 95, Mo – Sa 18 bis ca. 0, https://sacre.ft.restaurant, Instagram: @sacrebleu.berlin