Phantasievoll gegen den Klimawandel

Die Erde ächzt unter ihrer Bebauung.    Foto: mr

Der »Karneval für die Zukunft« zog durch Neukölln

Die Erde schaute ein wenig verdrießlich, vermutlich wegen der vielen Gebäude, die auf ihrem Mantel kein Plätzchen mehr freiließen. Um sie herum wuselten Schmetterlinge, Füchse, Eisbären und bunte Vögel, die sich tanzend zu rhythmischen Trommelklängen die Sonnenallee hinunter bewegten. Neben der riesigen Puppe des älteren Herrn mit Hut und Mantel führten weitere meterhohe Puppen, gefertigt aus Stangen, Stoffen und Pappmaché den »Karneval für die Zukunft« an, der am 24. September mit mehreren hundert bunt und phantasievoll kostümierten Teilnehmern durch Neukölln zog, um auf den Zustand unserer Erde aufmerksam zu machen.
Der Weg führte vom Rathaus Neukölln über Karl-Marx-Straße und Sonnenallee nach Kreuzberg bis zum Spreewaldplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Ursprünglich sollte die Route über den Hermannplatz führen, musste aber wegen des gleichzeitig stattfindenden Marathonwochenendes verlegt werden.
Die Eröffnung des Karnevals zelebrierten Dani und Patzi auf der Treppe vor dem Rathaus, zwei zeitreisende Poetinnen, die aus der Zukunft angereist waren, um die Menschen vor den katastrophalen Folgen ihres Handelns in der Gegenwart zu warnen. »Es wurde heiß, die Welt begann zu brennen, Wasser überall, aber keiner kann es trinken, bald bringen wir uns alle um«, warnten sie, wenn nicht unverzüglich radikale Maßnahmen gegen die sich immer deutlicher abzeichnende Klimakatastrophe ergriffen würden.
»Wir sind jetzt an dem Zeitpunkt, an dem wir die Zukunft noch gestalten können«, riefen sie den Anwesenden zu, aber dazu müsse die Menschheit sich abwenden von ihrer Ideologie des ununterbrochenen Wachstums durch blinden Konsum.
Dabei gingen die Karnevalisten mit gutem Beispiel voran. Die Kostüme und Installationen waren zum großen Teil aus Altmaterial, die Fahrzeuge Lastenräder oder Anhänger, die mit Muskelkraft bewegt wurden. Müllsammler begleiteten den Zug, pickten Fallengelassenes auf und beförderten es in mitgeführte Müllbeutel.

Auf dass die Straße sauber bleibe.      Foto: mr

Initiiert wurde der »Karneval für die Zukunft« vom Neuköllner Kunstverein »Artistania« gemeinsam mit mehr als 20 Organisationen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Umwelt, Gemeinde- und Sozialarbeit, um damit auch Menschen zu erreichen, die bisher nur wenige Berührungspunkte mit Umweltaktivismus haben. »Unser Karneval ist eine Aktion der fröhlichen Subversion im öffentlichen Raum. Wir müssen andere, ungewohnte Wege erforschen, aus den Reihen tanzen und neue Ideen und Visionen für die Zukunft entwickeln. Der Karneval ist dafür ein Experiment«, heißt es in der Pressemitteilung des Kunstvereins.
Das zumindest scheint gelungen zu sein. Es gab kaum einen Passanten, der nicht stehen blieb und sein Handy zückte, um das bunte Treiben zu fotografieren.

mr