Amtsgang mit Folgen
Vor kurzer Zeit kam der benachbarte Tabakhändler auf mich zu. Er hatte ein Problem mit dem Jobcenter und verstand die Formulare nicht so gut.
Nachdem ich mich eingelesen hatte, war klar, dass er das falsche Formular erhalten hatte. Der Nachbar musste noch am selben Tag ins Jobcenter. Ich schrieb einen Brief an die Sachbearbeiterin im preußisch devoten Ton, honigsüß untermalt, freundlich und im höchsten Maße respektvoll.
Am nächsten Tag geschah etwas Unglaubliches: Junge Männer grüßten mich mit einer noch nie erlebten Freundlichkeit und Höflichkeit. Bisher schauten sie immer weg, wenn sie in meine Nähe kamen. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt für sie nicht zu existieren und empfand es auch nicht mehr bemerkenswert. Und wenn sie mich mal wahrnahmen, so konnte ich immer eine tiefe aufrichtige Verachtung in ihren Augen erkennen.
Als der Nachbar hocherfreut auf mich zukam und mir seine Geschichte beim Jobcenter erzählte, wurde mir alles klar.
Die Sachbearbeiterin sagte ihm, dass er ein perfekt formuliertes Schreiben abgegeben hätte. Sie wunderte sich dann doch ein wenig und fragte: »Haben Sie das Schreiben allein geschrieben?« Mein Nachbar sagte dann, dass er so etwas nicht könne, dass aber sein Sohn solche Briefe formulieren kann, er hätte das Schreiben angefertigt.
Ich musste schon in mich hineingrinsen bei dieser kleinen Episode. Ich hatte verstanden, dass Frauen keine Briefe formulieren können und wenn ja, dann sagt man es nicht. Aber der Nachbar hat seinen Bekannten aber wohl die Wahrheit erzählt. Seither werde ich freundlich angesprochen.