Der Tunnel in den Westen

Ehrung der Tunnelgräber.Foto: mr

Gemeinsames Gedenken von Neukölln und Treptow an den Mauerbau

»Ich finde es sehr wichtig, dass Menschen unserer beiden Bezirke heute am 13. August, dem verhängnisvollen Tag des Mauerbaus, der sich nunmehr zum 61. Mal jährt, hier innehalten und an die Menschen erinnern, die sich nicht mit dieser Mauer abfinden wollten und dafür einen hohen Preis bezahlten«, sagte die Neuköllner Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport Karin Korte bei einer Gedenkveranstaltung an der Kreuzung Heidelberger Straße und Elsenstraße. Eine in den Boden eingelassene Gedenkplatte erinnert dort an den Fluchttunnel, der von der Neuköllner Eckkneipe »Heidelberger Krug« zum Keller eines Fotogeschäfts auf Ost-Berliner Seite führte. »Am 11. Juni 1962 gelang auf diesem Weg 55 Menschen die Flucht in den freien Teil der Stadt« steht auf der Gedenktafel.
Korte und der Neuköllner Bezirksverordneten (BVV)-Vorsteher Lars Oeverdieck trafen sich dort mit dem Vorsteher der BVV Treptow-Köpenick, Peter Groos und Bezirksbürgermeister Oliver Igel. Daneben nahmen auch Bezirksverordnete und Abgeordnete der beiden Bezirke an dem Gedenken teil.
Die Heidelberger Straße wurde wegen des geringen Abstands der Häuser in Ost und West und wegen des niedrigen Grundwasserstands zum Berliner Hotspot für Tunnelgräber.
Laut dem Verein »Berliner Unterwelten« wurden nirgendwo in der Stadt mehr Fluchttunnel angelegt, über die in den 14 Monaten nach dem Mauerbau fast 130 Ost-Berliner aus der DDR-Diktatur fliehen konnten.
Karin Korte erinnerte in ihrer Rede an Heinz Jercha, einen dieser Tunnelbauer, der bei dem Versuch, Menschen auf die westliche Seite zu bringen, in einen Hinterhalt der Staatssicherheit geriet und erschossen wurde – der erste von vier bekannten Tunneltoten.

Gedenken.   Foto: mr

Sie wies darauf hin, dass die Mauer nach DDR-Sprachregelung als »antifaschistischer Schutzwall« zu bezeichnen war und schlug damit einen Bogen in die Gegenwart zur »putinschen Sprachregelung, der seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine als spezielle Militäroperation gegen faschistische Elemente und Nazis bezeichnet.«
Bezirksbürgermeister Igel würdigte den DDR-Bahnradsportler Harry Seidel, der nach seiner Flucht in den Westen ebenfalls am Bau diverser Tunnel beteilgt war, die er mit unterschiedlichen Mitgräbern unter der Mauer durchgrub. Mehr als 100 Menschen half er bei der Flucht. Nachdem er von der Staatssicherheit festgenommen wurde, verurteilte ihn das Oberste Gericht der DDR in einem Schauprozess zu lebenslanger Haft. Nach etwa vier Jahren Haft kaufte ihn die Bundesrepublik Deutschland frei.

mr