Bedrohte Landwirtschaft nicht nur in Berlin
Nicht nur politisch ist Berlin Stadt und Land zugleich. Westberlin zählte 1960 circa 200 Bauern, die ein Viertel der Stadtfläche bewirtschafteten, noch von ihren Erträgen lebten und die geteilte Stadt versorgten. Das ist lange vorbei. Zu viele der innerstädtischen, landwirtschaftlich genutzten Flächen fielen überwiegend dem Wohnungsbau zum Opfer und zwang deshalb viele Berliner Bauern, aufzugeben.
Werner Mette, ein diplomierter Landwirtschaftsmeister aus dem Neuköllner Ortsteil Buckow, lebt dagegen heute noch nur von der Landwirtschaft und gehört zu den letzten fünf Berliner Bauern. Dieser echte »Dinosaurier«, wie der SPD Politiker Raed Saleh ihn erst kürzlich liebevoll nannte, wirtschaftet in fünfter Generation auf dem Hof am Buckower Damm 205, den Karl Rohrbeck, sein Ur-Ur-Ur-Großvater 1870 am Rande des Dorfes Buckow baute.
Der 56-jährige, traditionelle Landwirt betreibt nahezu komplett Ackerbau und Viehzucht. Wer seinen Hof betritt, wähnt sich nicht mehr in der Stadt. Hier stehen eindrucksvoll gewaltige Fendt-Traktoren, Bestell- und Erntemaschinen. Es gibt Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen, auch einige Schweine und diverse Kleintiere. Folgerichtig fehlt ein Misthaufen nicht.
Die noch verbliebenen Felder verteilen sich über vier Berliner Bezirke und vier Landkreise in Brandenburg. Darauf wachsen Hafer, Weizen, Roggen, Gerste, Raps und Kartoffeln, aber auch Erdbeeren, Sonnenblumen und Zwiebeln. Vieles davon gibt es im eigenen Hofladen, auch frische Eier, Wurst und Fleisch, dazu Heu und Stroh, auch in Kleinstmengen.
Engagiert kämpft Bauer Mette gegen »Landfraß«. »Beton bedroht Boden« sei kein reines Großstadtproblem, so sein Fazit. Zwischen 1992 und 2019 verschlangen Verkehrs- und Siedlungsprojekte rund 1,38 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Böden, die Fläche etwa von Schleswig-Holstein. Täglich kommt die Fläche von rund 73 Fußballfeldern dazu. Bis 2003 war der Verlust noch doppelt so hoch, trotz der nun erreichten Halbierung weiterhin viel zu viel.
Um die 1950er Jahre hatte Buckow noch rund 30 echte Bauern, doch die Wahrnehmung der Landwirtschaft der neu Zugezogenen veränderte sich. »Heute hat keiner mehr Verständnis dafür, dass hier eine Kuh »muh« macht. Die Tiere haben einfach ab 22 Uhr die Schnauze zu halten«. Nun »belästigen« auch die Hühner die neuen Nachbarschaften, und sollen, bitte wo, gehalten werden? Müll, Schutt und sogar Giftstoffe sind kein reines Berliner Bezirksproblem, alles landet zunehmend auch auf den Feldern.
Kürzlich erst verlor Werner Mette wieder ein rund zehn Fußballfelder umfassendes Flurstück. 20 Jahre gab es dort sein beliebtes Strohballenfest. Auf dem gab es nicht nur Rummel, damit warb er für mehr Verständnis für bäuerliches Tun und ein besseres Bewusstsein für die Natur. Nun wachsen dort Wohnungen. Sein Fest ist Vergangenheit, auch, weil die Vielzahl von Genehmigungen und die zunehmenden, sich teils widersprechenden Auflagen es zukünftig kaum noch realisieren ließen. Die Zukunft des Hofes Mette bleibt ungewiss.
rr