»Am liebsten wäre ich unsichtbar«

Die Situation obdachloser Frauen in Neukölln

Edith lebt hier in Neukölln seit drei Jahren auf der Straße. Sie verlor ihre Wohnung, als ihre Vermieterin Eigenbedarf anmeldete und sich keine bezahlbare Wohnung finden ließ. »Anfangs habe ich mich bei Hausverwaltungen auf Listen eintragen lassen und bin zu Beratungsstellen gegangen.« Später habe sie aufgeben erzählt Edith. Sie wirkt klein und verloren, und dass sie mit mir redet ist wohl nur Kaffee und dem Brötchen zu verdanken, das ich ihr gekauft habe. Sie verzehrt beides, als sei sie es mir schuldig. Ich versuche sie so wenig wie möglich mit meinen Fragen zu bedrängen. Wir sitzen beide auf den Bänken vorm ehemaligen C&A. »Am liebsten wäre ich unsichtbar«, sagt Edith leise. Und statistisch gesehen ist sie das tatsächlich.

Silly – frisch geduscht vom Duschmobil.Foto: sl

Wohnungs – und obdachlose Menschen werden statistisch nicht eindeutig erfasst. Notunterkünfte melden ihre belegten Plätze nicht alle und nicht monatlich. Während der Zählung bei der »Nacht der Solidarität«, die nicht unumstritten ist, wurden in Neukölln 37 Menschen gezählt. Daraus folgt, dass Unterbringungen, Beratung oder einfach nur geschützte Räume für Frauen viel zu wenig Beachtung finden, wenn es um die Finanzierung von Projekten geht.
Von einem dieser wenigen Projekte erzählt mir Edith dann aber doch. Das Duschmobil, das einmal in der Woche auch in Neukölln an einem geschützten Ort hält. Hier bekommen die Frauen gespendete Hygieneartikel, Kaffee und kleine Snacks und natürlich eine heiße Dusche, so lange sie möchten. Hier gibt es auch Flyer zu Beratungsstellen, wie »Evas Obdach« in der Fuldastraße. Schön eingerichtete, mit Namen versehene Zimmer bieten für 30 Frauen Schutz und Unterkunft, coronageschuldet sind es im Moment jedoch nur 17 Plätze. Die Frauen können vier Wochen bleiben, müssen allerdings tagsüber die Einrichtung verlassen. »Dann läuft man halt durch die Straßen oder fährt mit der Ringbahn, manchmal mit gespendetem Fahrschein, manchmal ohne.«
Die Sozialarbeiterinnen würden sich sehr gut kümmern und die Beratung sei sehr persönlich, sagt Edith noch, allerdings wäre das wichtigste, dass sie dort »wie n normaler Mensch« behandelt würde und Kraft tanken könne für Behörden und Ämter, die ihr das Leben schwer machten. Auf Grund von Gewalterfahrung auf der Straße sei sie »menschenscheu« geworden. Das macht die Suche nach einer Wohnung nicht gerade leichter. »Früher habe ich mich nie so abhängig von fremden Menschen gefühlt« erklärt sie und »wenn die dann keinen Bock auf dich haben, dann kannst du beantragen was du willst, da läuft dann gar nichts.« Als sie aufsteht und geht, geschieht das ganz leise und behutsam, so, als wäre sie unsichtbar.

sl