»Jüdisches Leben ist keine Provokation«

Kampf dem Hass.    Foto: mr

Kundgebung am Rathaus Neukölln

Am Rande einer pro-palästinensischen Kundgebung im Mai am Hermannplatz wurde eine Gruppe junger Juden angegriffen und beleidigt. Ein Beispiel von vielen, nicht nur in Neukölln. Ein Polizist riet ihnen anschließend, lieber keine Kette mit dem Davidstern offen zu tragen, um nicht unnötig zu provozieren. Ähnliche Ratschläge gab es auch von Kommentatoren verschiedener Medien. Eine Haltung, gegen die sich inzwischen Widerstand formiert.
»Jüdisches Leben ist keine Provokation« war das Motto einer Demonstration, zu der sich am 25. Juli rund 300 Menschen vor dem Neuköllner Rathaus versammelten. Aufgerufen hatte das »Bündnis gegen Antisemitismus Neukölln«.
»Es kann nicht sein, sich als Jüdin oder Jude auf den Straßen Neuköllns oder auch anderswo verstecken zu müssen«, sagte Jonathan Guggenberger, einer der Organisatoren der Kundgebung. Alle Menschen müssten sich sicher fühlen können. Er forderte, dass jeglicher Antisemitismus, egal aus welchem politischen Lager, als Hassverbrechen bestraft werde und Veranstaltungen, die Judenhass fördern, gestoppt werden. Außerdem solle der Bund 25 Millionen Euro locker machen für die Förderung von Bildungsmaßnahmen zur Prävention und Aufklärung, auch innerhalb islamischer Einrichtungen und Verbände.
»Ich bin überzeugt davon, dass der Kampf gegen Antisemitismus immer ein Kampf für die Demokratie ist«, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel. Es dürfe nicht normal sein, dass Menschen Angst vor Übergriffen haben müssen, weil sie ein Symbol ihres jüdischen Glaubens offen tragen. Jüdisches Leben sollte selbstverständlich sichtbar sein, nicht nur in Neukölln, wo das bislang nicht hinreichend der Fall sei, sondern in ganz Berlin. Um den Antisemitismus langfristig zu bekämpfen, etwa durch Bildungsprogramme in den Schulen, brauche der Bezirk aber mehr Ressourcen. Das sei ein Auftrag für die nächste Legislaturperiode, sagte er weiter.
Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount A. Königsberg, rief dazu auf, nicht vor der Gawalt zu kapitulieren. »Nicht diejenigen, die angegriffen werden, sollten gemaßregelt werden, sondern die Angreifer.«
Es gebe noch immer zu viele Ahnungslose unter Richtern und Staatsanwälten, die antisemitische Straftaten, die nicht von ausgewiesene Neonazis begangen wurden, nicht adäquat verfolgen und bestrafen, bedauerte Michaela Engelmeier, Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Angriffe auf jüdische Einrichtungen seien antisemitisch und nicht bloßer Vandalismus.
Antisemitismus sei in allen gesellschaftlichen Schichten von rechts bis links virulent. Das gelte auch für das islamische Milieu. Darauf wies der Politikwissenschaftler und Vertreter des »Mid­east Freedom Forum Berlin«, Jörg Rensmann, hin. Das werde von der Politik aber häufig abgewehrt aus Scheu, sich mit einem klaren Vorgehen gegen islamischen Antisemitismus dem Vorwurf auszusetzen, islamophob oder rassistisch zu sein. Aber Aufmärsche von Hamas und ähnlichen Organisationen seien für Demokraten unerträglich. »Antisemiten meinen, was sie sagen. Das sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben«, warnte er.

mr