Kaum enthüllt, schon wieder verschwunden
Eine halbe Million Menschen aus Gebieten, die während des Zweiten Weltkriegs besetzt waren, wurden in Berlin als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Es gab sie in jeder Nachbarschaft, in der Landwirtschaft, in der Rüstungsindustrie, auf kirchlichen Friedhöfen und sogar in privaten Haushalten. Das System der Zwangsarbeit fand vor aller Augen statt. Auf rund 3.000 wird die Anzahl der Lager im Berliner Stadtgebiet geschätzt. Die Orte des Verbrechens verschwinden langsam in der wachsenden Stadt. Nur an wenigen Stellen sind inzwischen Gedenkorte eingerichtet worden, so etwa auf dem Friedhof Jerusalem V an der Hermannstraße.
Auch in Britz gab es zwei Zwangsarbeiterlager – an der Fulhamer Allee und an der Onkel-Bräsig-Straße 6-8. Heute stehen dort Garagen. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, wurde dort auf Betreiben der Anwohnerinitiative »Hufeisern gegen Rechts« eine provisorische Gedenktafel enthüllt mit der Aufschrift: »Hier befand sich von 1941 bis 1945 ein Barackenlager für polnische und sowjetische Zwangsarbeiter*innen. Die 18 Männer und Frauen wurden zu Bau- und Instandhaltungsarbeiten in der Hufeisensiedlung eingesetzt.«
»Zwangsarbeit war kein Verbrechen, das geheim war. Fast alle haben davon profitiert«, erklärte Roland Borchers, wissenschaftlicher Mitarbeiter am »Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit« in Schöneweide, den zahlreich erschienenen Kundgebungsteilnehmern.
»Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg« komme nicht von allein, sagte Mirjam Blumenthal, Kreisvorsitzende des DGB Neukölln und Co-Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in ihrer Ansprache. Daher sei besonders die Orientierung im Kiez wichtig. »Hier ist es passiert, hier muss auch erinnert werden!« Der Ausschuss für Bildung und Kultur der BVV habe bereits einem Antrag zugestimmt, der das Bezirksamt auffordere, eine dauerhafte Erinnerungstafel an einem geeigneten Ort in unmittelbarer Nähe anzubringen. Jetzt müsse nur noch die BVV dem Antrag zustimmen, berichtete sie.
»Ich sage jede Unterstützung zu, dass aus dieser Tafel ein Dauerzustand wird«, versprach Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann. Bisher sei das Gelände für ihn ein ganz gewöhnlicher Ort gewesen, aber »seitdem ich weiß, dass hier früher eine Zwangsarbeiter-Baracke stand, gehe ich mit einem ganz anderen Blick daran vorbei«.
Wenige Tage nach der Enthüllung musste die Gedenktafel schon wieder entfernt werden. Einer der Grundstückseigentümer hatte das verlangt.
mr