Petra Strass glitzert weiter

Erinnerungen an die Blütezeit der Travestie

In Waldemars »Schillers« hat der Neuköllner Peter S. (64) vor vollem Haus zweimal eine grandiose Travestieshow geboten. Das begeisterte Publikum der Eckkneipe ging mit bis hin zur Teilnahme an einer Polonaise und bot starken Applaus zu der ausdrucksvollen Playbackshow. Der Travestiekünstler knüpfte an Erfolge an, die nicht nur er in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts in Westberlin feiern konnte. Jetzt fehlt ihm die Kraft zu weiteren Auftritten. Er nutzt zum Gehen einen Rollator und ist zunehmend auf einen Elektrorollstuhl angewiesen.

Foto: privat

Peter S. arbeitete als Verkäufer für Obst und Gemüse, bevor er seine Leidenschaft für die Kunst der Travestie entdeckte. Der verheiratete Mann und Vater einer erwachsenen Tochter erzählt: »Ich bin bisexuell. So traf ich eines Tages einen Mann, der sich gern in eine Frau verwandelte. Ich ließ mich schminken und zog Frauenkleider an. Aus Peter wurde in diesem Moment Petra«, stellt er lächelnd fest und ruft Erinnerungen wach. »Nicht nur meine Frau kleidet sich beeindruckend anspruchsvoll. Mich spricht bis heute insbesondere glitzender weiblicher Schmuck zu entsprechenden Kleidern an. Als ich als Travestiekünstler begann, nannte ich mich daher Petra Strass und behielt den Namen bei.«
Sympathischer Glanz liegt in Peters Augen, wenn er auf die Achtziger Jahre zurück blickt. »Das war die Blütezeit der Travestie. Touristen kamen nach Westberlin, um uns zu erleben. Ich habe als Freiberufler angefangen. Private Gesellschaften und Firmen buchten Shows. Ich bin damals schon in Eckkneipen aufgetreten. In Berlin fand sich gerade da aufgeschlossenes Publikum, das für preisintensive Etablissements nicht genügend Geld hatte. Doch ich suchte eine feste Arbeit in einem Travestietheater. Strapsharry kannte mich ja schon, ich ging in sein Ensemble.«
Gemeint ist »Strapsharrys Dreamboys Lachbühne«, die schon lange eine Westberliner Legende ist. »Es war gar nicht so einfach, den anspruchsvollen Harry zu überzeugen. Wichtig waren meine langen Beine. Gesungen haben wir live nur zu etwa 80 Prozent, der Rest war immer Playback, absolut auf die Bewegung und Mimik abgestimmt.« Die Transvestiten wetteiferten darum, welche Frauen sie darstellen konnten. Peter S. spielte gerne die von ihm geachtete Zarah Leander. »Edith Piaf allerding konnte ich nicht parodieren. Als ich sie zum ersten Mal hörte, war ich mehr als fasziniert von ihrer unvergleichlichen Stimme.«
Peter S. ist inzwischen schwer erkrankt, nicht nur Asthma macht ihm zu schaffen. An beiden Beinen mussten Bypässe gelegt werden. Er wirkt gezeichnet, doch aufgeben ist nicht seine Sache. So gut es geht, bewegt er sich mithilfe eines Rollators. Doch er braucht immer häufiger seinen Elektroroll­stuhl. Der Kampfgeist geht ihm nicht verloren. »Neukölln und auch der Schillerkiez sind für uns Behinderte keineswegs barrierefrei. Zu wenig Bordsteine sind abgesenkt. Ich muss oft die Straße benutzen und Umwege fahren, um nach Hause zu kommen. Der Bezirk muss hier mehr Initiative zeigen, bei all den Baustellen.«
Was ist sein Schlusswort, das er nahezu schillernd äußert? »Es war mein Leben und es bleibt mein Leben.«

th