Kiezgespräch

Von Vorurteilen und Angst

KuK: Welche Themen bewegen dich in deinem Kiez?
Yusef: Dass du mit mir redest. Wenige Deutsche reden mit mir. Ich bin Neuköllner, meine Eltern sind Araber, genau wie die aller meiner Freunde. Merkst du, was ich meine? Ich habe keine Freunde, die eine deutsche Familie haben, obwohl ich hier zur Welt gekommen bin und hier wohne, wie du. Warum ist das so? Ich weiß es nicht. Sieh mal. Ich habe einen schwarzen Lockenkopf und mein Nachname ist der gleiche, wie einer dieser Clans, aber das ist nicht meine Familie, ich gehöre nicht dazu, die kommen aus einem ganz anderen Land als meine Vorfahren! Und trotzdem muss ich das erwähnen, damit ein Deutscher nicht in Angst gerät oder sofort Vorurteile hat. Wenn er sie nicht sowieso schon hat. Jeden Tag das gleiche seit ich denken kann, seit 30 Jahren.
KuK: Gibt es noch ein Thema, das dich im Moment beschäftigt?
Yusef: Ich frage mich täglich, wie ich Jungs wie mich von der Straße fernhalten kann. In meiner Jugend saß ich vier Jahre im Knast. Wie es dazu gekommen ist, das ist egal. Ich weiß nur, dass es dumm war und eine Zeitverschwendung. Was können wir tun, dass es den Jungs, die jetzt in dem Alter sind, nicht so geht? Wer kümmert sich um die? Ich hatte Angst, meinen Eltern von Stress zu erzählen, mein Vater hätte mich verprügelt. In der Schule – zu wem gehen, wenn etwas schiefläuft? Wenn ein Junge namens Mohammed Probleme hat und zum Sozialarbeiter geht, weiß es danach das Jugendamt. Wenn er zur Lehrerin geht, wird sie es in der Klasse ansprechen, und dann wissen alle, dass er gepetzt hat. Wohin soll so jemand, wenn es so oder so alles schlimmer macht? Verstehst du? Woher soll ein Junge, wie ich damals, Vertrauen in so ein System haben?

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* Yusef, Columbiadamm