Petras Tagebuch
Von Partikeln und Präfixen
Zuweilen denke ich über Sprache nach. Insbesondere dann, wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, oder bei Wortungetümen, die ich sehr liebe und die für jeden, der mit der deutschen Sprache nicht so vertraut ist, eine Herausforderung darstellen.
Vor Kurzem machte ich mir Gedanken über das Verb »ziehen« und seine Vielfalt an Vorsilben. Diese wenigen Buchstaben können völlig neue Horizonte eröffnen. Nehme ich »be«, so beziehe ich ein Gehalt oder ein Bett. Hier wird von einem Präfix geredet. Anders verhält es sich bei der Vorsilbe »um«. Da kann ich mich umziehen, oder ich ziehe um. Da funktioniert die Zerstückelung und nennt sich Partikel.
Oder es ergibt sich ein vermeintlich völlig neuer Sinn. Nehme ich »er«, dann haben wir erziehen. Gehe ich davon aus, so muss ich davon ausgehen, dass erziehen bedeutet, dass ein Mensch gezogen wird, bis er gesellschaftlich tauglich ist. In der Tat wird manchmal kräftig an Menschen erzogen, manchmal bis zum Monster, manchmal zum Duckmäuser oder zu einem lebenstüchtigen und frohen Zeitgenossen.
Partikel wie Präfixe verändern nicht ihre Bedeutung.
Gemein wird es allerdings, wenn ich die Vorsilbe »über« anwende. Mit dem Präfix überziehe ich mein Konto und mit dem Partikel ziehe ich mir den Mantel über. Da ergibt die Vorsilbe dem »ziehen« je nach Standort einen völlig neuen Sinn.
Bei diesen Gedanken über Vorsilben bin ich froh über meine Muttersprache, aber mein Mitgefühl gilt allen, die diese Sprache lernen möchten oder müssen. Auch muss es nicht wundern, wie schnell Missverständnisse entstehen, wenn das »aus« mit einem »an« verwechselt wird.