Schafft historisierender Neubau einen Wohlfühlort?

Prominent besetztes Podium diskutiert über die Zukunft von Karstadt am Hermannplatz

Teufelszeug oder Hoffnung für die Zukunft? Bei dem Projekt des Signa-Konzerns, das Karstadtgebäude am Hermannplatz abzureißen und in Größe und Stil des legendären Kaufhauses der dreißiger Jahre wiederaufzubauen, stehen sich Vertreter dieser beiden Ansichten ziemlich unversöhnlich gegenüber.

So wünscht sich der Investor das neue Karstadtgebäude.    Foto: mr

Bei der Podiumsdiskussion, zu der Nicola Böcker-Giannini (SPD, Mitglied des Abgeordnetenhauses) im Rahmen der Reihe »Fraktion vor Ort« am 30. September ins Restaurant des »Karstadt am Hermannplatz« geladen hatte, blieben die Befürworter allerdings weitgehend unter sich. Vereinzelt kamen kritische Fragen aus dem Publikum, das dem Gespräch auch per Live­stream folgen konnte. Bei den Vertretern aus Politik und Wirtschaft überwog der positive Blick in die Zukunft.
Lediglich Ulrich Wiegard, Vorsitzender des Betriebsrats bei Karstadt, zeigte sich nicht ganz so euphorisch und sprach die Sorgen und Hoffnungen der rund 180 Beschäftigten an: »In einem modernen und attraktiven Warenhaus zu arbeiten ist für alle ein Traum, aber was passiert nach dem Umbau, finden wir uns danach hier auch wieder?«
»Wir sind auf die Erfahrung und die Motivation der Mitarbeiter angewiesen«, entgegnete Timo Herzberg, Deutschlandchef des Investors Signa. Einen Umbau bei laufendem Betrieb schloss er ausdrücklich aus, aber »wir wissen, dass wir auch während der Neubauphase präsent sein müssen, damit Karstadt bei den Kunden nicht in Vergessenheit gerät.« Für die Bauphase seien daher mehrere Ausweichstandorte im Gespräch. Er rechne mit etwa dreieinhalb Jahren für die Neubauarbeiten wenn alle Genehmigungen erteilt seien.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte den umstrittenen »Letter of Intent« (eine Absichtserklärung), in dem sich der Berliner Senat mit Signa geeinigt hat, große Bauvorhaben des Unternehmens zu unterstützen, als notwendigen Schritt zur Rettung von Arbeitsplätzen. »Signa erpresst uns nicht«, betonte Müller, aber die Stadt müsse auch Kompromisse machen. Es gehe darum, Einkaufsmöglichkeiten für Menschen zu erhalten, »die es nicht so dicke haben und die nicht in die chicen Boutiquen gehen können.«
»Der Hermannplatz ist ein Identifikationspunkt für viele Neuköllner«, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Zurzeit sei der Platz aber »von Blech dominiert« und biete nur wenig Aufenthaltsqualität. Der Kaufhausneubau in Verbindung mit einem neuen Verkehrskonzept könne dazu beitragen, den Platz zu einem »Wohlfühlort« zu machen.
Er forderte, dass Politik und Investor in den Dialog mit der Zivilgesellschaft eintreten, um gemeinsam Ideen für die künftige Nutzung des Gebäudes zu entwickeln. Das Beteiligungsverfahren müsse aber von der öffentlichen Hand initiiert werden, betonte er. Ein dezenter Hinweis an den Investor, der mit seiner Kampagne »Nicht ohne euch!« bereits kräftig die Werbetrommel rührt.
Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, wies darauf hin, dass durch funktionierende Warenhäuser auch der umliegende Fachhandel profitiere. »Die Gemeinden kriegen das Zähneklappern, wenn ein Warenhaus dichtmacht.« Er machte aber auch sehr deutlich, dass die Karstadteigentümer durch die Verkäufe der Grundstücke, auf denen die Warenhäuser stehen, den Niedergang zum großen Teil selbst verschuldet haben. »Der Konzern hat das Tafelsilber verscherbelt.«

mr