»Raus aus der Defensive – Gegen Räumungen, Abschiebungen & Faschisierung«
Schon am frühen Abend wimmelt es rund um den Herrfurtplatz von Polizisten und Gruppenkraftwagen. Anlass für die Demo am 1. August war die geplante Zwangsräumung der linken Kiezkneipe »Syndikat« in der Weisestraße, die für den 7. August, 9 Uhr angesetzt ist. Die besetzten Häuser »Rigaer94«, »Liebig34« und das Jugendzentrum »Potze« sowie die »Meuterei« sind ebenfalls von Zwangsräumungen bedroht oder wurden teils schon unter strittigen Umständen geräumt. Unter dem Motto »interkiezionale Solidarität« und »Kiezkultur von Unten erhalten und verteidigen« taten sich diese und andere Projekte zusammen, um gegen Verdrängung zu demonstrieren. Ungefähr 2.000 Menschen nahmen teil.
Eigentlich sollte die Demo am Herrfurtplatz starten, über Flughafen- und Karl-Marx-Straße bis zum S-Bahnhof Neukölln laufen. Die Stimmung ist schon zu Beginn aufgeheizt und bereits nach wenigen Hundert Metern eskaliert die Situation. Es fliegen Steine und Farbbeutel auf das Neubauprojekt an der Hermannstraße Ecke Flughafenstraße. Die Polizei reagiert mit dem Stopp des Zuges sowie mit massivem Pfeffersprayeinsatz und Handgreiflichkeiten – weitere Steine fliegen, die Situation wird unübersichtlich. Der Veranstalter beendet die Demo, da er nicht mehr auf die Teilnehmer einwirken kann. Die Polizei drängt die Demonstrierenden zurück in den Schillerkiez und treibt sie auseinander. In den Nebenstraßen rennen immer wieder Menschen und Polizisten, immer wieder fliegen Flaschen und Steine.
Es werden Straßenbarrikaden aus einer Baustelle, Mülltonnen und Straßenschildern errichtet. In den Straßen schwebt bunter Rauch und ein Polizeihubschrauber kreist am Himmel. Es gibt mehrere Festnahmen, drei Polizisten werden verletzt. Bis spät in die Nacht sind mehrere Hundertschaften der Polizei im Kiez unterwegs und lösen Gruppierungen auf.
Einige Demonstranten treffen sich gegen 23 Uhr in Prenzlauer Berg, wie schon zu Beginn für den Fall einer vorzeitigen Auflösung der Demonstration am Herrfurtplatz angekündigt. Auch dort brennen Mülltonnen, und Autos werden beschädigt. Mehrere hundert Polizisten versuchen, die Proteste zu unterbinden.
Die Kiezkneipe »Syndikat« ist seit 1985 im Schillerkiez und nicht nur Kneipe, sondern verlängertes Wohnzimmer und Ort zum Austausch für die Nachbarschaft und darüber hinaus.
Seit 2018 kämpft das Kollektiv um den Erhalt des Ortes, wie derzeit mehrere linksalternative Projekte, mit einer breiten Unterstützung aus Nachbarschaft und Freunden.
Hoffentlich werden es nicht die letzten Abende des »Sydikats« sein, sondern noch weitere 30 Jahre, mindestens.
jr/eh