Demonstrieren in Zeiten von Corona
Nachdem die erste Welle der Corona-Pandemie überstanden ist und Berlin sich auf eine mögliche zweite Runde einstellt, bleibt neben vielen anderen Fragen die nach dem »Wie« von Demonstrationen.
Berlin ist eine politische Stadt und Präsenzveranstaltungen als Ausdruck politischer Partizipation sind hier immens wichtig. Wie kann also demonstriert werden unter Beachtung aller Auflagen?
Die »Black Lives Matter«-Demonstration vom 6. Juni am Alexanderplatz ist sowohl Hobby- als auch professionellen Virologen ein Dorn im Auge. Zurecht, bezogen auf die Ansteckungsgefahr während sogenannter »Super-Spreading-Events«. Die Veranstalter hatten noch vor der Demo darum gebeten, Mundschutz zu tragen und Desinfektionsmittel mitzuführen. Viele hielten sich zwar an ersteres, allerdings gab es keine Möglichkeit, die geltenden Abstandsregeln einzuhalten. Aerosole hatten an diesem Tag leichtes Spiel.
Acht Tage später – ein völlig anderes Bild: Die #Unteilbar-Demo vom Brandenburger Tor bis über den Hermannplatz hinaus. Laut Veranstaltern waren 20.000 Menschen gekommen, 5.000 mehr als zur »Black Lives Matter«-Demo eine Woche zuvor. Das Konzept funktionierte.
Die Menschenkette mit zwei Metern Abstand zwischen Teilnehmenden, verbunden durch ein »Band der Solidarität«, das an besonders hoch frequentierten Streckenabschnitten sogar mehrere, parallel laufende Menschenketten aufwies, wurde hoch gelobt, unter anderem von Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Polizei. Die Botschaften der Demonstration waren unter anderem Solidarität, Antirassismus und Geschlechtergerechtigkeit.
Die emotionale Debatte, die durch den Tod von George Floyd weltweit entfacht wurde, hat sich am 6. Juni entladen. Der Berliner Ableger der »Black Lives Matter«- Bewegung war nicht der Veranstalter. Die Organisation warnt sogar vor Ansteckungsgefahr bei Demonstrationen. Und doch war es kein unorganisierter Leichtsinn, der so viele Menschen zusammengeführt hat, sondern der Gedanke, zusammen etwas ändern zu wollen und zu müssen, und zwar jetzt. Als Demonstrant darf man im Moment jedoch nicht mögliche Konsequenzen des eigenen Handelns vergessen.
Verantwortungsvolle Partizipation ist angebracht, denn Demonstrieren muss sein. Nachdem noch nicht absehbar ist, wann wir wieder ohne Restriktionen auf die Straße gehen können, um gemeinsam für oder gegen etwas zu stehen, gilt es, Konzepte zu entwickeln. Das Bündnis »Unteilbar« zeigt den Weg, den Berlin einschlagen sollte. Die Botschaft des Protests darf nicht von Diffusion durch Nichteinhaltung bestimmter Maßnahmen überschattet werden.
me