Birgitt Claus, das »Zitronencafé« und ihr Strampeln in der Krise
Bekannt ist das »Zitronencafé« im Körnerpark für seine schmackhaften Frühstücke, wechselnden frischen Mittagstisch und hausgemachten Kuchen. Das war mit den Regelungen zur Eindämmung der Pandemie vorbei. Wie alle anderen Restaurants musste auch dieses geschlossen werden. Für Birgitt Claus, die Betreiberin, war das nicht nur ein Unglück, wie es derzeit viele betrifft, sie trifft es ganz besonders hart.
Seit 1998 baute sie die Firma »eßkultur« auf. Sie ist Agentur, Veranstalterin und gastronomischer Betrieb. Sie betreibt die Betriebskantine vom Tagesspiegel, ist Pächterin der Cafeteria und des Restaurants im Museumskomplex Dahlem, betreibt die Gastronomie im Jüdischen Museum und das »Zitronencafé« im Körnerpark. Sie bietet pro Jahr mehrere kulturelle Reisen nach Italien an, die sehr beliebt sind. Sie hatte den Vertrag für das Catering der Internationalen Tourismusbörse (ITB). Und dann kam im letzten Jahr das Angebot vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für ein Catering ab dem Jahr 2020. Es sollte gerade losgehen, aber dann kam Corona, und alle Verträge wurden ohne Entschädigung ausgesetzt. Birgitt Claus hat auf einmal keinen einzigen Auftrag mehr.
Die quirlige Unternehmerin blickt stolz auf ein ehemals stetig wachsendes Unternehmen, in dem inzwischen etwa 80 Mitarbeiter beschäftigt sind. Es stand stabil da. Allerdings ist sie auch mit Planungen in Vorleistung gegangen, das kostet Geld, das nun verloren ist. Die Mitarbeiter wurden auf Kurzarbeit gesetzt. Claus hat damit noch immer 60 oder 67 Prozent der Lohnkosten zu zahlen, die sie zwar von der Agentur für Arbeit zurückerhält, sie weiß nur nicht wann. Bis dahin können Rechnungen nicht bezahlt werden. Das ruft die Inkassofirmen auf den Plan, und die Angst vor einer Insolvenz ist groß. Leider griff bei ihr auch kein Rettungsschirm, weil sie zu viele Mitarbeiter hat. Bei Kreditanfragen sind die Banken sehr ablehnend.
Die Unternehmerin konnte sich nach diesem Schlag nicht in Ruhe hinsetzen und abwarten. Schon immer hat sie gerne genäht. Jetzt näht sie Rettungsschürzen und Mundschutze. Jede Woche gibt es neue Modelle, neue Stoffe, andere Schnitte, mit der Möglichkeit, ein Vlies einzulegen, oder auch ganz schlicht. Fünf Euro kostet ein Mundschutz. Das sind drei Euro für Material und Arbeitslohn und zwei Euro Gewinn. Gerne können Kunden noch einen Solibeitrag obendrauf legen zur Firmenrettung. Bei den Rettungsschürzen gibt es ein besticktes Grundmodell, das auch erweiterbar ist. Bei Auftragserteilung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Da gibt es die »Spitzenköchin«, eine Schürze mit vielen Spitzen, die konservative Schürze mit Konservenapplikationen, und die Hochzeitsschürze, wie der Kunde will.
Birgitt Claus ist ziemlich sauer. Sie nennt das, was gerade passiert, Sozialdarwinismus. Die einen zahlen die Coronazeche, bei den anderen bleibt alles wie bisher. Sie fragt sich, warum die Politik nicht kreativer ist und zum Beispiel für ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen bezahlt. Lebenswerke gehen gerade kaputt, nicht nur ihres. Das kann doch nicht gewollt sein. Und trotzdem macht sie weiter, besorgt Stoffe, Gummis und produziert unermüdlich an ihrer Nähmaschine.
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Wo kaufen? www.esskultur-berlin.de