Essensverteilung an wohnungslose Menschen
Immerhin zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite an diesen Tagen früh im April. Die Temperaturen sind morgens schon angenehm, es weht kein Wind, und Regen hat sich auch nicht angekündigt – Glück im Unglück sozusagen. Für die mehr als hundert Menschen, die sich in den Morgenstunden bereits am Boxhagener Platz versammeln, spielt das eine übergeordnete Rolle, denn sie sind wohnungslos.
Seit die Corona-Krise den wuseligen Alltag auf den Straßen Berlins stark eingeschränkt hat, ist der Alltag für Wohnungslose in der Großstadt besonders herausfordernd.
Während sich das Gros der Bewohner in die eigenen vier Wände zurückziehen kann und die sozialen Interaktionen auf ein Minimum beschränkt, stellt sich die Frage, was mit den Menschen passiert, die kein eigenes Zimmer haben und für die »Social Distancing« quasi unmöglich ist? Was macht das mit einem, wenn die Freunde »mit den richtigen Wohnungen« gerade jetzt, in dieser komplizierten Zeit, kollektiv wegbleiben? Wenn das durch Pfandflaschen gesammelte Kleingeld nicht für eine warme Mahlzeit reicht?
Am »Boxi«, der seit jeher Anlaufpunkt für Obdachlose ist, versuchen Sozialarbeiter und freiwillige Helfer, etwas gegen die derzeitige Notlage zu unternehmen. Unter der Woche verteilen sie hier warmes Essen, Getränke und Hygieneartikel, welche durch Spenden finanziert sind. Organisiert wird die Essensausgabe von zwei Schwesterorganisationen, der »Karuna Sozialgenossenschaft» und dem »Karuna e.V.«, welche seit ihrer Gründung Anfang der Neunzigerjahre soziale Jugendarbeit, Drogenhilfe sowie Unterstützungsprogramme für Obdachlose betreiben. Neben der Anlaufstelle am Boxhagener Platz gibt es zwei weitere am Alexanderplatz und am Tiergarten. Außerdem sind ehrenamtliche Helfer mit Lastenrädern in Neukölln und Kreuzberg unterwegs, wodurch eine dezentrale Verteilung arrangiert werden soll. Denn in Zeiten von Kontaktbeschränkungen, sind Menschenschlangen auch bei der Essensausgabe am Karuna-Café ein Problem: »Was wir jetzt mehr denn je brauchen, sind politische Maßnahmen, um Obdachlose von der Straße zu holen. Nur so kann das Risiko der Virusübertragung seriös minimiert und gegebenenfalls medizinische Versorgung garantiert werden«, erzählt Jörg Riechert, einer der Geschäftsleiter bei Karuna. Er fordert den Berliner Senat auf, leerstehende Hotelzimmer für Menschen ohne eigene vier Wände zu öffnen: »Wenn sich das Virus unter den Personen auf der Straße verbreitet, wäre das ein eklatantes Problem, da diese Menschen oft zur Risikogruppe gehören und für sie derzeit keinerlei Möglichkeit zur Kontaktvermeidung besteht.« Für Unverständnis sorgt vor diesem Hintergrund außerdem, dass die Bezirksämter nach wir vor Schlafplätze von Wohnungslosen zum Zwecke »regelmäßiger Reinigung« räumen lassen. Dieses Verhalten erscheint unverhältnismäßig, da bei der Suche nach einem anderen Aufenthaltsort neue Infektionsketten entstehen.
mf
Spenden online auf betterplace.org: Täglich 10 Euro für jeden Obdachlosen – Corona Soforthilfe