Reaktionen zwischen Arg- und Ratlosigkeit
Immerhin bis zum 12. März dauerte es, bis der Berliner Fußball-Verband (BFV) seinen Spielbetrieb für zunächst zehn Tage aussetzen sollte. Erst, als das Coronavirus gewissermaßen auch amtlich und unmittelbar in den Hauptstadtfußball Einzug gehalten hatte: Zwei Tage zuvor war nämlich öffentlich geworden, dass je ein Spieler eines Landesligavereins sich mit dem Virus infiziert hatte. Einer der beiden gehört der zweiten Mannschaft des »TSV Rudow« aus dem Süden unseres Bezirks an, woraufhin 22 Personen – Spieler und Trainer des Clubs – erst einmal in Quarantäne geschickt wurden.
Die kommenden zwei Spiele der Mannschaft würden verlegt, stellte der BFV laut »Morgenpost« klar – und die »B.Z.« berichtete, dass die restlichen Rudower Teams den Trainingsbetrieb fortsetzen würden: »Der Rest des Vereins ist ja nicht betroffen und bis auf einen Spieler sind auch noch alle gesund«, zitierte das Boulevardblatt einen Vertreter des TSV. Was spätestens aus heutiger Sicht haarsträubend klingt, war zu diesem Zeitpunkt natürlich der Ahnungslosigkeit gegenüber dem Ausmaß der Epidemie geschuldet, die keiner der Beteiligten in dieser Form zuvor erlebt hat.
Zur Erinnerung: noch einen Tag vor Verkündung der Unterbrechung des Spielbetriebs durch den BFV hatte der Vorsitzende des »1. FC Union« den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aufgrund seiner Empfehlung (»Keine Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern«) in die Schranken gewiesen und erklärt, dass das anstehende Heimspiel gegen den »FC Bayern« vor Publikum stattfinden würde – weil das zuständige Bezirksamt Treptow-Köpenick ausdrücklich nichts Gegenteiliges mitgeteilt habe.
Das Virus sorgte im Übrigen auch dafür, dass Detlef Wilde noch nicht seinen wohl verdienten Ruhestand antreten durfte. Der Vorsitzende des »SV Tasmania«, der diesen Monat seinen 71. Geburtstag feiert, wollte auf der Mitgliederversammlung am 16. März nach 20 Jahren bekanntlich seinen Platz für Nachfolger Almir Numic räumen. Bis einen Tag vorher wurde trotz der Epidemie an dem Termin festgehalten – zur Not sollte die Versammlung im Freien auf dem Gelände an der Oderstraße durchgeführt werden. Zum Glück für alle Beteiligte besann man sich aber noch eines Besseren und sagte die Veranstaltung doch noch ab.
Zwei Tage zuvor hatte der Senat schließlich den »Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen bis zum Ende der Osterferien« untersagt – wodurch auch der BFV sämtliche Spiele auf Verbandsebene bis einschließlich 19. April abgesagt hat. Eine Verlängerung der Pause ist dabei sicher nicht ausgeschlossen und sorgt dadurch auch für Existenzängste zumindest bei ambitionierteren Fußballvereinen – nicht nur in Neukölln.
Hagen Nickelé