Kampf um die staatliche Neutralität
Auf Einladung der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung diskutierten am 3. Dezember in der Otto-Hahn-Schule Experten über das Thema »Neutralität versus Religionsfreiheit – Warum das Neutralitätsgebot des Staates die persönliche Glaubensfreiheit erst ermöglicht«.
»Für Kinder aus traditionellen Familien muss die Schule ein Ort der Freiheit sein«, forderte Gabriele Heinemann, Sozialpädagogin, ehemals Mitarbeiterin bei »Madonna-Mädchenkult.Ur e.V.«. Das sei besonders für die Mädchen wichtig, weil sie unter dem Druck ihrer Gemeide stünden, zu tun, was man von ihnen erwarte. Religionsfreiheit heiße daher auch, die Möglichkeit zu haben, sich von der Religion zu befreien, und Schule sei der einzige Ort dieser Freiheit.
»Der Staat hat neutral zu sein und muss sich frei machen von religiösen Symbolen«, sagte Lale Akgün, Autorin und Bundessprecherin der säkularen Sozialdemokraten. Der soziale Frieden in einem multireligiösen Land werde aber nur durch staatliche Neutralität erhalten. »Das Gesetz sollte ein Exportschlager sein.«
Es werde hier immer für das Grundrecht auf Religionsausübung gestritten, die Freiheit, sich von Religion abzuwenden, sei aber nicht weniger schützenswert, ergänzte Seyran Ateş, Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin. Und diesen Schutz gewährleiste das Neutralitätsgesetz. Außerdem gelte es für alle Glaubensrichtungen und Weltanschauungen gleichermaßen, diskriminiere also niemanden, erklärte sie weiter. Berlin habe getan, was das Verfassungsgericht wollte: ein Gesetz erlassen. »Wenn der Staat religiöse Symbole zulässt, gibt er seine Neutralität auf. Das ist keine juristische, sondern eine politische Entscheidung«, sagte sie.
Für Ahmad Mansour, Psychologe und Autor, ist das Kopftuch Ausdruck patriarchalischer Tradition, Geschlechtertrennung und Sexualisierung der Frauen.
Bezirksbürgermeister Martin Hikel wies als ehemaliger Lehrer darauf hin, dass Schüler in einem asymmetrischen Hierarchieverhältnis zum Lehrer stünden, was es ihnen erschwere, sich eine eigene Meinung zu bilden. Der Staat müsse neutral sein, nur so könne gewährleistet werden, dass jeder frei entscheiden könne, »ob man glaubt und wenn man glaubt, woran man glaubt.« Wer als Lehrkraft nicht einmal während des Dienstes in der Schule auf Symbole wie Kruzifix oder Kopftuch zu verzichten bereit sei, begründe erhebliche Zweifel am Willen zur religiösen Neutralität im Dienst.
mr