Verschiedene Initiativen kämpfen gegen Verdrängung – und feiern zusammen
Unverwechselbar ist der Schillerkiez auf der Karte der Recherche-AG der »nk44« Kiezversammlung zu erkennen. Auf ihm kleben lauter bunte Punkte. Kneipen, in denen man auch mal ein Bier trinken sollte? Leider nicht. Jeder Einzelne der Punkte – und es sind viele – steht für Verdrängung. Eigenbedarfsklagen, Leerstand, Dauer-Airbnbs und Modernisierungen sind hier verzeichnet.
Als die Karte auf dem Weisestraßenfest am 7. September ausgestellt wurde, kamen dauernd neue Punkte dazu, die Festbesucher hatten alle ihre Geschichten dabei. Eine ältere Dame, die nur zufällig mit ihrem Hund vorbeikam, erkannte ihre eigene Wohnsituation in den Redebeiträgen wieder. Schockiert berichtete sie von den Vorgängen in ihrem Haus in der Lichtenrader Straße, das der Immobilienfirma »Covivio« gehört.
Genau wie der ganze Block gegenüber in der Mahlower Straße, wie ein Blick auf die Karte zeigte: Lauter blaue Punkte.
Aber es gibt auch ein paar Punkte, die Orte des Widerstandes markieren. Denn im Schillerkiez wehrt sich was gegen die Verdrängung und den Mietenwahnsinn. Den Protesten im Kiez wurde am 29. September im Rahmen der »tumalwat-Aktionstage« eine ganze Ausstellung in der »Lunte« gewidmet. In diesem »Archiv des Widerstands« darf natürlich das »Syndikat» nicht fehlen, das sich gegen seinen Eigentümer »Pears Global« wehrt. Gerade laufen die Vorbereitungen für den Räumungsprozess. Am 29. Oktober zieht das Kneipen-Kollektiv vor das Landgericht Berlin und wird dort nicht alleine dastehen. Viele Unterstützer sind angekündigt, manche nehmen sich extra Urlaub, um ihr zweites Wohnzimmer zu verteidigen. Auch die Leinestraße 8 hat dort als widerständiges Haus ihren Platz. Die Hausgemeinschaft kämpfte dafür, nicht an eine Briefkastenfirma verscherbelt zu werden — mit Erfolg. Zehn Tage nach dem Weisefest kam in allerletzter Minute der Brief, dass eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft sich zum Kauf durchringen konnte.
Ein neuer Punkt kam auch für die Schillerpromenade 26 auf der Karte der Verdrängung und des Widerstandes dazu. Hier haben die Mieter und »Schiller’s« Wirt Waldemar es mit den Samwer-Brüdern zu tun, die mit Online-Unternehmen wie »Zalando« ihr Geld gemacht haben und jetzt »eine andere Nutzung der Gewerberäume« des »Schiller’s« für »verträglicher« halten. Dass die Samwers eigentlich nicht zu entscheiden haben, wie es im Schillerkiez läuft, machte die Schillerinitiative in ihrem Redebeitrag auf dem Weisefest klar. Dort sprachen auch »Leine8«, »Akelius-Mietervernetzung« und die »Initiative Hermannplatz«, die gegen einen Abriss und Neubau des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz eintritt. Hinter diesem Vorhaben steht der »Signa« Konzern, der an anderen Orten in Berlin ebenfalls riesige Bauprojekte in Arbeit hat, darunter ein Hochhaus und einen Kaufhof-Neubau – beides für »Zalando«. Der Kreis schließt sich.
Wie es im »Schiller’s« weitergeht, ist noch unklar. Nach einigem öffentlichen Druck und einem Brief des Bezirkstadtrates Jochen Biedermann, machte die Hausverwaltung ein entgegenkommendes Angebot, also einen Pachtvertrag über zwei Jahre bei doppelter (statt vierfacher) Pacht. Das ist bei dem Umsatz, den eine Kneipe wie das »Schiller’s« mit erschwinglichen Getränkepreisen abwirft, eigentlich immer noch nicht zu bewältigen und die Frage, was im Anschluss statt des »Schiller’s« in den Räumen passiert, bleibt offen. Gleichzeitig haben die Mieter des Hauses erneut eine unverhältnismäßige Erhöhung der Betriebskosten erhalten. jt
Die Schillerinitiative hat daher eine Kundgebung für den 19. Oktober angekündigt, um »laut gegen leise Verdrängung« zu protestieren. Kundgebung am 19.10. um 17 Uhr vor dem »Schiller’s«. Anschließend Soli-Party mit Livemusik. Schillerpromenade/Ecke Okerstraße