Kiezkultur versus Gesetz

Spätkaufinhaber demonstrieren für Sonntagsöffnung

Die Milch für den Sonntagskaffee ist alle, der Tabak auch, und etwas zum Naschen wär auch noch ganz schön. Alles kein Problem, denn wenn die Supermärkte dicht haben, versorgen die Spätis Anwohner und Touristen mit dem Lebensnotwendigen.
Legal ist das nicht, denn gemäß dem Ladenöffnungsgesetz dürfen Spätis an Sonn- und Feiertagengar nicht geöffnet haben. Für die kleinenLäden sind die Sonntagsöffnungszeiten aber wichtig, weil sie dann quasi konkurrenzlos das beste Geschäft der Wochemachen.
Am 16. Juni haben rund 250 Späti-Betreiber auf dem Hermannplatz füreine Modernisierung des Gesetzes demonstriert und eine Gleichstellung mit Tankstellen und Bahnhofsgeschäften gefordert, für die es Ausnahmen gibt.

Spätidemo. Foto:mr

»Spätis gehören zu Berlin so wie die BVG, der Checkpoint Charlie und der Mauerpark. Sie sind zentraler Bestandteil der Berliner Kiezkultur, Nachbarschaftstreffpunkte und schaffen Arbeitsplätze«, rief Alper Baba, Neuköllner Späti-Betreiber und Vorsitzenderdes Vereins »Späti e.V« den Anwesenden zu. Wenn der Sonntag gestrichen werde, würden viele Läden zumachen müssen und Familien ihre Existenzenverlieren. »Meine Familie und ich wollenselbst entscheiden, wann wir arbeiten.«
»Wenn ein Kaufmannfür seine Kunden dasein will, macht er sichstrafbar«, ergänzte Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Die Gesetze sollten der Lebensrealität angepasst werden. Besonders im Hinblick auf den Online-Handel sei es notwendig, dem stationären Handel mehr Spielraumzu geben.
Anja Kofbinger, Neuköllner Mitglied des Abgeordnetenhauses, versprach »Wir werden weiterhin für die Sonntagsöffnung kämpfen.« Eine Gesetzesänderung sei dafür aber nicht unbedingt nötig, wie das Beispiel Hamburg zeige, wo in ausgewiesenen touristischen Zonen auch sonntags verkauft werden könne.
Der Bereich innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings sei auch komplett touristische Zone. Bisher konnte sich die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop aber nicht mit Arbeitssenatorin Elke Breitenbach einigen. Die Linken-Senatorin besteht auf Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes, um die Einhaltung des Arbeitsrechts zu sichern.
Auch die SPD tut sich schwer mit diesem Thema. »Das Sonntagsarbeitsverbot ist wichtig«, sagte Severin Fischer, Mitglied des Kreisvorstands der Neuköllner SPD. Eine generelle Abschaffung würde zur völligen Entgrenzung und zur Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten führen. Aber auch er findet, dass es für inhabergeführte Läden eine Lösung geben müsse.
In Neukölln gebe es keine Weisung ans Ordnungsamt, aktiv gegen die Spätis vorzugehen, aber wenn es Beschwerden gebe, müsste denen natürlich nachgegangen werden, sagte er weiter.
Florian Swyter, FDP- Abgeordneter, erklärte das Ladenöffnungsgesetz für kompletten Unsinn. Jeder Händler solle selber entscheiden, wann er öffnet. Es stellt sich allerdings die Frage, wozu es dann noch Spätis braucht, wenn der Supermarkt nebenan auch geöffnet hat.

mr