Haptische Faszinationen

Die berufliche Leidenschaft eines Buchbinders

»Ryszard Buchbinderei für Einzel- und Sonderanfertigungen« steht auf der Vorderseite der Visitenkarte, auf der Rückseite »Martin Trojanowski Buchbinder«. Martin, »der Buchbinder«, wie er im Schillerkiez bereits genannt wird, hat zwei Ausfertigungen seiner Visitenkarten. Die eine wirkt auf schlichtem weißen Papier, die andere hat einen silbernen Schimmer, beide auf zusammengefügtem Spezialpapier mit Prägedruck. »Fühl mal«, bittet Martin, und ich spüre das Besondere.

Martin Trojanowski an der Prägemaschine.                                                                                              Foto: th

Bevor er bei Karen Wegemann in Hamburg »eine Topausbildung durch vier Meister« erhielt, lernte er Kommunikationsdesign, wohl schon in Vorbereitung auf die qualifizierte Arbeit als Buchbinder. Eine Freundin seiner Mutter hatte Jahre zuvor eine Papierfirma gegründet, die hauptsächlich Kartons herstellte, Martin Trojanowski fühlte die Haptik des gepressten Papiers. »Gutes Handwerk ist wieder gefragt.« Entsprechend hat Martin mit seiner Kollegin Friedericke Goll in einer Garage auf dem Innenhof am Herrfuthplatz 11 eine Buchbinderwerkstatt errichtet. »Wir machen es derzeit noch nebenberuflich und haben Teilzeitjobs. In meiner Firma mache ich alles, Kundenkontakt, Materialbeschaffung und die individuelle Fertigung nach Wunsch des Kunden.«
Buchbinder machen sehr viel mehr als Bücher. Dazu zählen Sonderanfertigungen für Verpackungen und Bücherschuber. »Papier ist nicht allein unser Material, doch sehr wichtig. Aber Leder ist auch schön und wird gern genutzt.« Martin entrollt verschiedene Lederproben, Ziege und Rind, feines und dünnes Material. »Leder ist ja ein Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie. Gutes Leder wird aber von Tieren genommen, die speziell dazu gezüchtet werden und keinen Freilauf haben. Hier sieht man zum Beispiel an dieser Kerbe, dass das Tier frei gelaufen ist, es hat sich wohl mal an einem Zaun gestoßen oder wurde gebissen. An veganem Leder wird übrigens schon geforscht, es wird mit Pilzen experimentiert.«
Das schönste aller Materialien ist für Martin Trojanowski immer noch Pergament. Es wird ebenfalls aus Tierhäuten hergestellt. In der Österreichischen Zentralbibliothek in Wien hielt er ein 800 Jahre altes handgeschriebenes Buch aus Pergament in der Hand: »Eine haptische Faszination. Daran wurde zehn Jahre gearbeitet!« Er selbst gewann einen Preis der Württembergischen Staatsbibliothek. In dem von ihm gefertigten Buch greift er alle Materialien, die in Buchbindereien gebraucht werden, auf und hat auf dem Umschlag in Rautenform diese Materialien gespiegelt.
Wieso heißt die Buchbinderei »Ryszard«? »Das ist der polnische Name für Richard. Mein Großvater hieß so. Meine Eltern kamen zur Zeit des Kriegsrechtes 1981 nach Deutschland. Ich wurde als Pole in Kreuzberg geboren. Polnisch ist meine Muttersprache.«

th
Ryszard Buchbinderei für Einzel- und Sonderanfertigungen Martin Trojanowski Buchbinder Herrfurthplatz 11 12049 Berlin kontakt@buchbinderei.ryszard.de