Das Teilhabechancengesetz bietet Perspektiven für Langzeitarbeitslose
Viele Firmen suchen derzeit händeringend neue Mitarbeiter. Die Arbeitslosenquote lag im Dezember des letzten Jahres mit 4,9 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Trotzdem sind bundesweit rund 800.000 Menschen seit mehr als einem Jahr arbeitslos. Allein in Neukölln gibt es über 5.000 Langzeitarbeitslose.
Diesen Menschen soll das »Teilhabechancengesetz«, das am 1. Januar in Kraft getreten ist, neue Perspektiven bieten. Es ermöglicht Arbeitgebern, Menschen einzustellen, die innerhalb von sieben Jahren mindestens sechs Jahre im Hartz-IV-Bezug waren. Den Lohn bezahlt dann fünf Jahre lang der Staat, in den ersten zwei Jahren voll, dann schmilzt die Förderung um zehn Prozent jährlich ab. Besonderer Erfolg für die SPD-Fraktion: Sie hat im parlamentarischen Verfahren erreicht, dass sich der Lohnkostenzuschuss am Tariflohn orientiert. Laut Koalitionsvertrag sollen bis zu 150.000 Langzeitarbeitslose in ganz Deutschland vom Gesetz profitieren. Dafür werden in den kommenden Jahren zusätzlich vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
»Wir stehen für ein Recht auf Arbeit und nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen.« Das sagte Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, die maßgeblich an der Entstehung des Gesetzes beteiligt war und es auf Einladung des Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordneten Fritz Felgentreu am 20. Februar in der »Kantineria44« im Bürgerzentrum Neukölln vorstellte. Arbeit sei für die meisten Menschen mehr als Geld zu verdienen. Es gehe darum, teilzuhaben am gesellschaftlichen Leben, die eigene Leistung zu spüren und dafür einen ordentlichen Lohn zu bekommen, sagte sie weiter.
»Mit unserem Teilhabechancengesetz erreichen wir Menschen, die keine echte Perspektive auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben«, erklärte Felgentreu in seiner Begrüßungsrede. Das Teilhabechancengesetz sei ein wesentlicher Grund gewesen, warum die SPD überhaupt wieder in eine Koalition mit der Union gegangen sei, sagte er weiter.
»Das Konzept ist ein Riesenfortschritt«, lobte Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg. Durch die Hartz-IV-Gesetze sei die Position der Arbeit massiv geschwächt und prekäre Arbeit forciert worden. Die tarifliche Bezahlung der geförderten Arbeitsplätze entsprächen aber den Kriterien der guten Arbeit.
Aus der Praxis der Jobcenter berichtete Richard Kurherr, Projektleiter JOB POINT Berlin. Die Organisation vermittelt Arbeitslose in Arbeit, hilft bei der Stellensuche und dem Bewerbungsprozess. Er unterstrich die Bedeutung von Beratung und Coaching, die im neuen Gesetz verankert sind, denn seiner Erfahrung nach sind die Leute, die zum Job Point kommen, immer schlechter ausgebildet. Aber »jede Person, die in Arbeit gebracht wird, ist ein kleiner Leuchtturm«, denn dadurch werde auch das Umfeld mit nach oben gezogen, sagte er. »Ein Arbeitsvertrag hat die höchste Integrationswirkung«, stimmte ihm Katja Mast zu.
In der der anschließenden Diskussion wurde aber deutlich, dass für den Erfolg des Gesetzes noch einige Hürden zu überwinden sind. So gebe es in Neukölln nur sehr wenige Betriebe, die mitmachen wollen. Potenzielle Arbeitgeber seien deshalb vor allem der öffentliche Dienst und freie Träger.mr