» Wir sind hier, wir sind queer, wir lassen uns nicht verjagen«
Es kann jeden und jede treffen. Die Gewalt gegen homosexuelle Menschen nimmt in Neukölln wie in ganz Berlin erschreckend zu. Mainzer Straße, Hermannplatz, Sonnenallee, an einer Bushaltestelle: Das sind die Orte, an denen zuletzt Homosexuelle und Transsexuelle aus Hass angegriffen und verletzt wurden. Die Übergriffe sind brutal: Schläge ins Gesicht, Zu-Boden-Werfen, In- den-Kehlkopf-treten, Messerstich in das Bein. Auch Beschimpfungen und Beleidigungen gibt es öfter.
Das Anti-Gewaltprojekt »Maneo« veröffentlicht jährlich zum 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, einen Bericht über Straftaten. 2017 waren es in Berlin 324 Angriffe, 14 Prozent mit Raubüberfall. Die Polizei vermutet eine Dunkelziffer von 80 Prozent, da vieles nicht angezeigt werde, obwohl auch Beleidigungen und Beschimpfungen strafbar seien. Neukölln liegt mit 18 erfassten Übergriffen auf dem erschreckenden Platz drei der Bezirke. Ein weiterer Anstieg wird befürchtet.Die Täter sind ausschließlich Männer. Ob sie überwiegend einen rechtsradikalen oder Migrationshintergrund haben, lässt sich nicht durchgängig beweisen. Eine Studie der Universität Leipzig belegt, dass auch im Bildungsbürgertum homophobe Vorurteile bestehen. In jedem Fall: »Das Problem ist die Machokultur,« schreibt »Der Tagesspiegel« treffend.
Prävention und Aufklärung durch eine früh beginnende Bildung und Aufklärung zu diesem massivem Gewaltproblem ist dringender denn je erforderlich.
Das Bundesfamilienministerium treibt dies voran und stellt Material zur Verfügung. Doch vor allem sind es bereits bestehende Vereine und Projekte der Schwulen und Lesben sowie Transsexuellen, die vorbildlich in der Anti-Gewalt-Arbeit sind. »LesMigraS« der Antigewalt- und Antidiskriminierungsbereich der Lesbenberatung Berlin, hat unter anderem eine umfangreiche Broschüre veröffentlicht. Nicht minder aktiv ist der Lesben- und Schwulenverband LSVD Berlin, der unter anderem das Bündnis gegen Homophobie ins Leben gerufen hat. In Neukölln hat sich der traditionsreiche Club »SchwuZ« in der Rollbergstraße 26 etabliert.
Entscheidend ist jedoch der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss gegen Gewalt und Homophobie. Nach einem erneuten Vorfall im Mai protestierten, wie schon 2015, auf einer kurzfristig organisierten Demonstration 1.000 Menschen mit Regenbogenfahnen und riefen: »Wir sind hier, wir sind queer, wir lassen uns nicht verjagen.« Der Barbesitzer Maurus Knowles hat einen »Tuntenspaziergang« vom S-Bahnhof Neukölln über die Sonnenallee zum Hermannplatz ins Leben gerufen, ein »lustiges Spazierengehen unter Freunden.« Zum »Tagesspiegel« sagte er: »Das hier ist verdammt noch mal mein Dorf, meine Heimat, das muss aufhören.«th