Die inspirierende Kraft von 20 Cent
Auf den ersten Blick: Im Maschinenraum M0 auf dem Kindl Gelände sieht es aus, als wenn morgen wieder der Bautrupp kommt. Gerüste stehen im Raum verteilt, dazu stoßen Videos mechanische Klänge aus, in der Endlosschleife steckend. Auf den zweiten Blick zeigen sich in dieser konstruktiven Eckigkeit Feinheiten, eine elegante Akribie ist zu entdecken.
Die Skulpturistin und Videokünstlerin Sofia Hultén hat in der großen Halle M0 neun Installationen aufgestellt, die auf Gerüsten ruhen. Ausgangspunkt ist eine italienische 20-Cent-Münze, auf der Umberto Boccionis 1913 entstandene Bronzeplastik »Unique Forms of Continuity in Space« zu sehen ist. Dieses futuristische Werk wollte die Bewegung eines Körpers und dessen Dynamik im Raum sichtbar machen. Sofia Hultén hat die Anfangsbuchstaben U-F-o-C- i-S genommen und ihrer Installation den Titel »Unstable Fakers of Change in Self« gegeben. Auf den Grundgerüsten finden sich Gegenstände zunächst alltäglicher Art: Baunetz, Rundschlinge, Blecheimer, Holzplatte, Kabelbinder, Plastilinkugel und italienische 20-Cent-Münzen. Die Spuren, die die Künstlerin dabei hinzufügt, lassen sich durch Videosequenzen nachvollziehen.
Der Betrachter entdeckt ein enges Netz von Verflechtungen zwischen den Skulpturen. Sofia Hultén widersetzt sich spielerisch linearen Abfolgen und will das Prinzip von Ursache und Wirkung außer Kraft setzen. Nicht zeitliche Kausalität, sondern Simultanität und ein breites Spektrum von Möglichkeiten, eine fünfte Dimension, finden Betonung. Ergänzt werden die neun Skulpturen durch die Arbeit von 2010 »Past Particles«. In einem 72-minütigen Video werden nach und nach alle Elemente eines gefundenen Werkzeugkastens enthüllt.
Dem Kurator Andreas Fiedler ist es erneut gelungen, eine Objektkünstlerin in das »Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst« zu holen, die einen großen Maschinenraum mit ihren Skulpturen humorvoll und lebendig ausfüllt. Sofia Hultén wurde 1972 in Stockholm geboren, wuchs in Birmingham auf, studierte in London und lebt und arbeitet seit längerem in Berlin. Ihre zahlreichen internationalen Einzelausstellungen werden durch diese erste institutionelle Einzelausstellung in Berlin abgerundet.
th
25. 11. 2018 bis 31. 3. 2019, 17.00 bis 19.00 Uhr, M0, Am Sudhaus 3, http://www.kindl-berlin.de