Der Tulpenmörder vom Kranoldplatz
Der Kranoldplatz könnte ein Neuköllner Juwel sein. So dachte ich schon häufiger. Er ist schön zwischen den Häusern gelegen, einige Bäume spenden gerade, wenn es heiß ist, wohltuenden Schatten, und eine etwas fragwürdige Skulptur bietet den Anwohnern immerhin den Platz, sitzend zu verweilen.
Das Rundherum stimmt eigentlich, aber die Baumscheiben bieten einen elenden Anblick: Hundekot, leere Schnapsflaschen, verlorene Unterhosen und schwer zu identifizierender Müll und manchmal auch ein kaputter Kinderwagen inklusive entsorgter Windel sind ein nicht so schöner Anblick.
Im Herbst des vergangenen Jahres machte ich mich an die Arbeit. Ausgestattet mit Gummihandschuhen entsorgte ich zunächst den Müll von den Baumscheiben. Dann bewaffnete ich mich mit einer Schippe und einer Harke und buddelte Tulpenzwiebeln ein. Das Warten auf den Frühling war lang, viel zu lang, wie ich fand. Und immer prüfte ich die Tulpen, ob sie wohl schon irgendwie ein Lebenszeichen von sich gaben.
Eines Tages Ende März war es dann so weit. Zaghaft schauten die ersten Blättchen aus der geschundenen Erde. Ich freute mich über dieses kleine Wunder und konnte es gar nicht mehr erwarten, wann ich dann die Blüte bestaunen durfte.
Als das Wetter im April besser wurde und die Sonne den Frühling auf Trab brachte, fuhr ich voller Erwartung auf den Kranoldplatz. Was ich da sehen musste, trieb mir vor Zorn die Tränen in die Augen. Irgendwelche Vandalen hatten von allen Tulpen fein säuberlich die Blüten abgeschnitten, nicht eine Blüte ließen sie aus. Ich hätte es ja noch verstanden, wenn sie die Tulpen mit Stiel genommen hätten. Dann hätte ich mir einreden können, dass irgendjemand damit eine Freude bereitet worden wäre. Aber nur die Blüte abzuschneiden, habe ich nicht verstanden. Es erscheint mir nach wie vor sinnlos. Vielleicht gibt es aber auch Tulpenhasser, die aus voller Überzeugung handeln.
Ich dachte mir dann, dass mich das nicht entmutigen sollte und habe das nächste Mal Wiesenblumensamen gestreut, alles schön untergeharkt und gewässert. Die Masse an Blumen, die jetzt entsteht, überfordert hoffentlich diese Blumenschänder.
Und egal, was da jetzt passiert: Ich werde weiter Blümchen aussäen und pflanzen. Und Schimanski beauftragen, den Mörder zu fangen.