Podiumsveranstaltung pro Berliner Neutralitätsgesetz
Kein Kreuz, kein Kopftuch, auch kein »Gottlos glücklich«-Button – an Berliner allgemeinbildenden Schulen, im Gerichtssaal oder bei der Polizei herrscht das Neutralitätsgesetz. Das untersagt Staatsbediensteten, im Dienst Schmuck oder Kleidung zu tragen, durch die sie sich zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung bekennen. Darüber gibt es immer wieder Streit, der ideologische Riss geht quer durch die Parteien.
Die Gegner des »Berliner Neutralitätsgesetzes« sagen, es verletze die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit, weil es für Musliminnen, die ihr Kopftuch auch in der Schule nicht ablegen wollen, einem Berufsverbot gleich käme.»Gerade in Zeiten von Radikalisierung muss es einen Fels in der Brandung geben – den öffentlichen Dienst«, sagt dagegen Michael Grunst, Bezirksbürgermeister von Lichtenberg und Politiker der Linken. Dieser müsse unbedingt religiös neutral auftreten. Da das Gesetz alle Religionen und Weltanschauungen gleich behandle, sei es weder diskriminierend noch rassistisch. In diese Kerbe schlägt auch der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu. Er ist überzeugt, »eine multiethnische und multireligiöse Gesellschaft braucht einen neutralen Staat.«
Die beiden Politiker sind Podiumsgäste bei einer Veranstaltung zum »Berliner Neutralitätsgesetz« am 12. April in der Aula eines Oberstufenzentrums in Moabit. Eingeladen hat die »Initiative pro Neutralitätsgesetz«. Die Gegner sind an diesem Abend nicht dabei. Den Verteidigern der bekenntnisfreien Schule geht es darum, ihre Argumente der Öffentlichkeit vorzustellen und Fragen interessierter Bürgern zu beantworten.
Mit auf dem Podium sitzt Seyran Ateş, Anwältin und Frauenrechtlerin, die den Berliner Senat bei den Rechtsstreitigkeiten mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen vertritt. Sie beklagt, dass zu wenig darüber gesprochen werde, wofür das Kopftuch eigentlich stehe. »Das Kopftuch demonstriert Geschlechterapartheid«, sagt sie und warnt davor, dass die konservativen islamischen Gemeinden großes Interesse daran haben, gerade an die Jüngsten heranzukommen, um sie beizeiten an ihre Regeln zu gewöhnen. »Der politische Islam macht sich auf den Marsch durch die Institutionen.«
Sie lehnt es ab, von einem »Berufsverbot« für gläubige Lehrerinnen zu sprechen, denn »Millionen Musliminnen tragen kein Kopftuch.«
Wie es in der Praxis in Schulen zugeht, deren Schüler überwiegend einen Migrationshintergrund haben, berichtet Detlef Pawollek, Leiter der Neuköllner Röntgen-Schule. »Aleviten tun in der Schule so, als ob sie fasten« weil die sunnitische Mehrheit das verlange, sagt er. Ebenso würden »bestimmte Kleiderordnungen durchgesetzt«. Er hält es für reines Wunschdenken, dass Kopftuch tragende Lehrerinnen in solchen Fällen als Vermittlerinnen wirken könnten.
Auch Hildegard Greif-Gross, Leiterin der Peter-Petersen-Grundschule in Neukölln, erlebt immer mehr Mißtrauen von Schülern und Eltern gegen »Ungläubige«. Durch Lehrerinnen, die ihre religiösen Bekenntnisse zur Schau stellen, werde diese Situation nicht einfacher, denn »Kinder lernen aus Anschauungen«, mahnt sie. Beide beklagen, dass es den Schulen an Instrumenten fehle, mit dieser Entwicklung umzugehen.
mr