»Djihadista« im Heimathafen
Sie sitzen zu Hause vor ihren Computern und chatten in sozialen Netzwerken mit jungen Männern: Mädchen im Teenageralter, verliebt und wild entschlossen, ihren Schwarm so schnell wie möglich zu treffen. Allerdings sind das nicht irgendwelche jungen Männer, sondern Gotteskrieger des »Islamischen Staates« aus Syrien oder dem Irak.
Wie aber kommen junge, gebildete, in Deutschland aufgewachsene Mädchen dazu, alle Brücken hinter sich abzubrechen und in den Krieg zu ziehen? Was bringt sie dazu, den »Westen« so sehr zu hassen, dass sie von dessen Vernichtung träumen?Dieser Frage versucht Regisseurin Nicole Oder mit ihrer Theaterproduktion »Djihadista« im »Heimathafen« auf den Grund zu gehen. In langen Monologen und Dialogen wird die zunehmende Radikalisierung einer jungen Frau nachgezeichnet. Es beginnt ganz harmlos mit einem Diskurs über Glaubensfragen und Vorurteile. Ein junger Mann beschreibt drastisch, zu welchen Höllenqualen jeder Nichtgläubige verdammt ist, gleichgültig, ob er ein guter Mensch ist oder nicht, während der Gläubige selbstverständlich ins Paradies gelangt, selbst wenn er ein nicht so guter Mensch ist. Seine Diskussionspartnerin beeindruckt das wenig. Sie hat mit allem Religiösen abgeschlossen und sich zur überzeugten Atheistin erklärt.
Die dritte im Bunde ist die junge Muslima, die nach Glaubensüberzeugungen sucht, sich dabei immer weiter radikalisiert und vom Islam in den Islamismus abdriftet. Anfangs legt sie nur ein Kopftuch um, ersetzt es dann durch den Nikab, den Gesichtsschleier, der bloß noch die Augen frei lässt. Im Internet besucht sie islamistische Portale und beginnt, in der Schule zu missionieren. So führt ihr Weg dann geradewegs zu den Gotteskriegern des IS beziehungsweise deren weiblichen Anwerbern, die sie mit romantischen Beschreibungen eines guten Lebens im Dienste eines vermeintlich großen Ideals locken.
Die Texte, die die Regisseurin ihr in den Mund legt, basieren zu großen Teilen auf den Recherchen der Autorin Güner Yasemin Balci. In ihrem 2016 erschienenen Buch »Das Mädchen und der Gotteskrieger« hat sie auf der Basis wahrer Lebensgeschichten, Chat-Protokollen und Abschieds-e-Mails an entsetzte Eltern das Porträt einer jungen Gotteskriegerin gezeichnet.
Die Inszenierung bleibt dabei neutral und verzichtet auf den moralischen Zeigefinger. Sie gibt aber auch keine Antworten darauf, wie dem Mißbrauch von Menschen und Religion begegnet werden könnte.
Der Abend endet mit vielen Fragezeichen.
mr
Die Aufführung ist noch am 22. April, am 3. und 4. Mai um 20:00 im Saal des Heimathafens zu sehen.
Karten unter: Tel 56 82 13 40 oder karten@heimathafen-neukoelln.de
Vorverkauf: 18 €, ermäßigt: 12 €, Abendkasse: 20 €, ermäßigt: 15 €