Gegen den »Feminizid«

»Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen« bewegt Neukölln

 

Lautstark gegen das Patriarchat.                                                                                                                     Foto: jt

»Me too«, ich auch – unter diesem Stichwort bekundeten tausende Frauen in den letzten Wochen, dass auch sie von sexuellen Übergriffen betroffen waren. Sexismus und sexualisierte Gewalt betrifft alle Frauen – es gibt wahrscheinlich keine einzige, die nicht »me too« sagen könnte. Nicht nur darauf wird seit 1981 mit dem »Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen« aufmerksam gemacht. Gewalt gegen Frauen kann als sexualisierte, körperliche oder strukturelle Gewalt auftreten, und sie beschränkt sich nicht auf häusliche Gewalt, sondern passiert auf der Straße, im Job, in Lagern, in der Schule und an der Uni.
Trotz eiskaltem Nieselwetter kamen am 25. November viele Frauen und einige Männer unter trübem Himmel auf dem Hermannplatz zusammen, um mit Megafon und Transparenten ein Ende des »Feminizids« zu fordern. Seit dem 19. Jahrhundert wird »Feminizid« als Begriff für die systematische Gewalt gegen Frauen verwendet.
Auf der Kundgebung war viel Spanisch zu hören: »Ni una menos«, riefen die Demonstrantinnen, »es darf keine fehlen«. Das ist kein Zufall, denn der Ursprung des 25. November liegt in Südamerika. 1960 wurden in der Dominikanischen Republik die Schwestern Mirabal vom Militär der damaligen Diktatur ermordet. Die Frauen waren Teil einer revolutionären Bewegung, ihre Ermordung politisch motiviert.
Zurück nach Deutschland: Letztes Jahr wurden 165 Frauen von ihren Ex-/Partnern umgebracht, 211 Mordversuche kamen dazu. Die Neuköllner Politikerin Anja Kofbinger (GRÜNE) ist Sprecherin für Frauen- und Gleichstellungspolitik im Abgeordnetenhaus und erklärte anlässlich des Aktionstags, dass die Ausgaben für den Schutz von Frauen vor Gewalt um fast ein Drittel erhöht wurden. Beratungs­angebote und 30 Plätze in Frauenhäusern sollen so zusätzlich geschaffen werden.
Eine spezielle Art von Gewalt gegen Frauen thematisiert ab dem 5. Dezember eine Ausstellung im »Frauenzentrum affidamento«. Zwangs- und Frühverheiratungen sind die Lebensrealität vieler junger Mädchen und Frauen in der Türkei, inzwischen aber auch in Deutschland. »Mit dem Pinsel gegen die geraubte Kindheit« zeigt, was junge Mädchen aus der Türkei selbst über ihre Zukunft denken.
Das »Selbst-« findet sich auch in der Rhetorik und Strategie der Demoteilnehmerinnen wieder. Sie wollen sich nicht darauf beschränken, Reformen vom Staat zu fordern, sondern mit Selbstorganisation und Selbstverteidigung für ein Ende der Gewalt und des Patriarchats kämpfen.

jt
Vernissage am 5.12. um 18 Uhr im »Frauenzentrum affidamento«, Richardplatz 28