Leitfaden zur Rettung der Demokratie
Die Wahlergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass autoritäre Kräfte immer stärkeren Zulauf haben. Wie können wir die Substanz unserer Demokratie verteidigen gegen ihre immer lauter werdenden Verächter?
Die Buchandlung »Die gute Seite« hat am 11. Oktober den Journalisten und Philosophen Jürgen Wiebicke eingeladen, der versucht, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Sein Grundgedanke: «Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform, sie ist eine Lebensform, die wir immer wieder neu beleben und verteidigen müssen«. In seinem Buch »Zehn Regeln für Demokratie-Retter« gibt er Tipps, mit deren Hilfe jeder jederzeit damit anfangen kann.
Die größte Gefahr für die Demokratie sieht er in dem Gefühl, nichts bewirken zu können, das nicht nur Menschen in prekären Lebenslagen befalle, sondern ebenso die sogenannten Stützen der Gesellschaft. »Ein großer Teil der Bürger wird nicht mehr wahrgenommen. Die Menschen verlieren ihr Selbstbewusstsein und suchen dafür Schuldige«, beklagt ein Redner aus dem Publikum. Fehlende Selbstwirksamkeit nennt Wiebicke dieses Gefühl, keine Resonanz zu finden. Sein Ansatz ist es daher, wegzukommen vom Gedanken des großen Wurfs und statt dessen im eigenen Kiez anzufangen, denn »dort kann man die Erfahrung machen, dass man etwas verändern kann«. »Mache Dir die Welt zum Dorf« heißt daher auch eine seiner Regeln. Es geht ihm darum, die Identifikation mit einem Gemeinwesen zu erreichen, das man selbst mitgestaltet hat. Positiver Nebeneffekt solcher Aktivitäten: Sie bringen Menschen zusammen, die sich vorher nicht kannten, obwohl sie in direkter Nachbarschaft zueinander leben. So entwickelt sich eine lebendige Zivilgesellschaft.
»Packe Probleme nicht in Watte«, heißt eine weitere Regel. Es geht ihm dabei darum, Probleme konkret zu benennen, ohne Furcht davor, Beifall von der falschen Seite zu bekommen.
In der Auseinandersetzung mit Demokratieverächtern empfiehlt Wiebecke Gelassenheit. Er plädiert dafür, die Vertreter solcher Parteien in die öffentliche Arena zu locken, sie zu zwingen, ihre eigene Meinungsblase zu verlassen und sich zu stellen. Nachfragen, was diese Parteien in den Bereichen Kultur, Finanzpolitik oder Klimawandel verändern würden, ergäben nämlich sehr schnell, dass es keine politischen Konzepte gibt. »Schein-Riesen« nennt er die Vertreter dieser Parteien, die, aus der Nähe betrachtet, dramatisch schrumpfen.
mr
Jürgen Wiebecke
Zehn Regeln für Demokratie-Retter
Kiepenheuer&Witsch, 112 Seiten, 5,- Euro