»Schilleria« durch Investor bedroht und Obdachlose werden verjagt
Auf der Besuchertribüne im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte sich eine Gruppe Mädchen und junger Frauen vom Mädchencafé »Schilleria« eingefunden, denn in der Sitzung der BVV am 18. Oktober ging es auch um ihre Zukunft.
Die »Schilleria« ist eine Freizeiteinrichtung für Mädchen von sieben bis zwanzig Jahren. Dort bekommen sie bei Bedarf Hilfe und Unterstützung bei Problemen in der Schule, aber auch bei Konflikten in der Familie. Die meisten Besucherinnen leben in der direkten Nachbarschaft und kommen fast täglich in die Einrichtung, oftmals direkt nach der Schule.
Mitte September hat die »Schilleria« vom Vermieter, einem skandinavischen Investmentfonds, die Kündigung ihrer Räume zum 31. Dezember erhalten. Der Vermieter hat zwar einen neuen Mietvertrag in Aussicht gestellt, der allerdings erheblich teurer wird. Der zuständige Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) antwortete auf die Große Anfrage der SPD zur Zukunft der Schilleria, es habe Gespräche mit dem Investor gegeben, die aber bisher nicht von Erfolg gekrönt waren. Gleichzeitig suche das Bezirksamt nach einem geeigneten Ausweichstandort. Aber es sei nahezu unmöglich, »einen Alternativstandort zu finden, der an die Qualität des jetzigen Standortes heranreichen kann«, musste Liecke zugeben. Die Grünen nahmen diese Debatte zum Anlass, eine wirksame Mietpreisbremse auch für Gewerbeimmobilien zu fordern.In den mündlichen Anfragen ging es hauptsächlich um das Thema Obdachlosigkeit. Steffen Schröter (AfD) wollte wissen, warum das Bezirksamt erst jetzt das Problem mit den Obdachlosen aus den ost- und südosteuropäischen EU-Staaten angehe. Tony Pohl (Linke) interessierte sich hingegen dafür, warum das Bezirksamt Lager von Obdachlosen im Hertzbergpark räumen lässt obwohl es im Bezirk keine Unterbringungsmöglichkeit für Obdachlose gibt.
Bei den auf dem Hertzbergplatz und angrenzenden Grünanlagen und Spielplätzen kampierenden Menschen handele es sich um Männer, die fast ausschließlich aus einem Ort in Süd-Rumänien stammen, und in den Sommermonaten zum Betteln nach Berlin kommen, sagte Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey. Als EU-Bürger haben sie das Recht auf volle Freizügigkeit, aber nur in extrem eingeschränktem Umfang Anspruch auf Hilfen. Die Unterbringung in Notunterkünften gehöre nicht dazu. Bevor das Ordnungsamt Maßnahmen ergreife, versuche die »Caritas« mit Sprachmittlern in Beratungsgesprächen die Rechtslage zu erläutern und Angebote zur freiwilligen Rückreise zu unterbreiten.
Das Nächtigen in den Grünanlagen könne keineswegs toleriert werden, sagte Giffey. Vermüllung und Gestank zögen Ratten an. Diese Zustände müsse das Bezirksamt beenden, um die eigentliche Funktion der Parks und Grünanlagen, die Erholung der Bevölkerung, zu gewährleisten.
Wie die BVV für politischen Nonsens missbraucht werden kann, bewies Anne Zielisch (fraktionslos, aber AfD-zugehörig). Sie hatte im Juli einen Antrag gestellt, der die »Schließung der Friedel 54« forderte. Schon zu dem Zeitpunkt hatte sie völlig ignoriert, dass der Laden bereits im Juni geräumt wurde. Den Antrag zurückzuziehen, hielt sie allerdings nicht für nötig, deswegen musste er in der BVV auch behandelt werden. »So wird verhindert, dass sich die BVV um die wichtigen Probleme kümmert«, sagte Martin Hikel, Fraktionsvorsitzender der SPD. »Das ist demokratiefeindlicher Dadaismus«.
mr