Die Bebauung der Friedhöfe rückt näher
An der Hermannstraße südlich des Verbindungsweges zum Tempelhofer Feld befinden sich eine Reihe von Flachbauten aus den 50er-Jahren, die durchweg Ladenlokale beherbergen. Einige Läden stehen bereits leer. An den verdreckten Fensterfronten, die kaum noch einen Blick ins Innere zulassen, ist zu sehen, dass sie nicht erst seit gestern leer stehen. Die anderen bieten eine bunte Mischung aus Trödel, gebrauchten Elektrogeräten und Kulinarischem von Asien bis Nordafrika. Und mittendrin, sozusagen als exotischer Farbtupfer, bietet der »Zauberkönig« bereits seit 1952 vom Niespulver bis zu falschen Bärten alle möglichen Zauber- und Scherzartikel an.
So unterschiedlich die Geschäfte sind, verbindet sie doch ein gemeinsames Schicksal: Ihre Mietverträge laufen allesamt Ende des Jahres aus, denn die Baracken sollen abgerissen werden. Dahinter befindet sich der evangelische Friedhof Jerusalem V, und der ist Teil des »Friedhofsentwicklungsplans« (FEP) für Berlin, der bereits 2006 vom Senat beschlossen wurde. Vor dem Hintergrund, dass angesichts einer höheren Lebenserwartung und der Zunahme von Feuerbestattungen immer weniger Friedhofsflächen benötigt werden, wurden der verbleibende Bedarf an Friedhofsflächen und die freien Flächen für eine anderweitige Nutzung ermittelt.
Im Herbst 2014 beauftragte der Eigentümer des Jerusalem-Friedhofs, der »Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte«, die Stadtentwicklungsgesellschaft »STATTBAU« mit der Erstellung eines Konzepts für die nicht mehr für eigene Friedhofszwecke benötigten Flächen der fünf Friedhöfe an der Hermannstraße.
Das »Integrierte Friedhofsentwicklungskonzept Hermannstraße« (IFEK) wurde im Mai 2016 im Ausschuss für Stadtentwicklung vorgestellt und einen Monat später in der BVV beschlossen. Dadurch erlangt das IFEK den Status eines »von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes«, das bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere zu berücksichtigen ist.
Das beschlossene Entwicklungskonzept sieht folgende Nutzungen am Standort des Jerusalem-Friedhofs vor: Ausbau der Gedenkstätte des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete, Erweiterung der bulgarisch-orthodoxen Bestattungsflächen sowie Neubau eines Gemeindezentrums entlang der Hermannstraße (Bulgarische Gemeinde), Umnutzung von Flächen im westlichen Bereich für Wohnbebauung und soziale Infrastruktur.
Die Ladenbetreiber sehen dem baldigen Anrücken der Bagger mit unterschiedlichen Gefühlen entgegen. Während die beiden Betreiberinnen des »Zauberkönigs« den Abriss ihres Ladens als Chance für einen Neubeginn sehen und die Hoffnung haben, mit Unterstützung der Kirche einen neuen Laden ganz in der Nähe zu bekommen, bewegt sich die Stimmung der anderen Gewerbetreibenden zwischen Wut und Resignation. Thi Hoa Leue, die Betreiberin des »Asia Point« etwa, hat vor einem Jahr noch mit viel Geld eine neue Lüftungsanlage eingebaut, die Elektrik komplett erneuert und den Laden um einen Lagerraum erweitert. Sie hofft nun, dass sich die Arbeiten noch lange verzögern, denn einen konkreten Termin für den Beginn der Arbeiten haben die Betroffenen noch nicht genannt bekommen.
rb