Ein junger Engländer krempelt eine Eckkneipe musikalisch um
Wo sonst könnte man mit Daniel ein Interview führen wenn nicht im »Schillers«, Eckkneipe im Schillerkiez und ausgelagertes Wohnzimmer des jungen Engländers. Mit leicht zerzauster Frisur und T-Shirt unter dem dunkelblauen Jackett nippt er an seinem kleinen Radler. »Musik ist ein sehr großer Teil von meinem Leben«, sagt der 27-Jährige. Daniel ist Musiker und Lebenskünstler. Vor zehn Jahren gründete er in Köln mit seinem besten Freund, auch ein Engländer, die Gruppe »Shackleton Way«. Die Garage Punk Band gibt es in wechselnder Besetzung bis heute.Mit ungefähr zwölf Jahren zog Daniel von einem nördlichen Vorort Londons nach Köln, gemeinsam mit seiner italienischen Mutter und seinem britischen Stiefvater. Mit einer alten Gitarre und einem Liederbuch brachte er sich als Jugendlicher selbst das Spielen bei. Seitdem kam er nie mehr wirklich von der Musik los. Er ging zurück nach London, um englische Literatur zu studieren, aber merkte bald, dass das nichts für ihn war und kam nach einem längeren Zwischenstopp in Stockholm zurück nach Deutschland, diesmal Berlin. Und vor allem: zurück zur Musik.
Seitdem ist der Schillerkiez sein Zuhause geworden. »Hier ist es wie in einem Dorf. Mein Studio, meine Freunde, alles, was mir wichtig ist, ist nur zwei Minuten weg«. Als er dann eines Abends durch sein »Dorf« lief, kam er am »Schillers« vorbei, wo gerade eine Band spielte. Er habe Waldemar, den Besitzer, direkt »überfallen« und gefragt, ob er nicht auch auftreten könne. Da er aber nicht alleine mit seiner Band spielen wollte, holte er noch andere dazu, und so entstand die erste »Schillers Music Night«, die seitdem regelmäßig stattfindet und mittlerweile schon Leute bis aus dem Prenzlauer Berg anzieht. Daniel hatte sich immer schon einen »liebevollen Abend« gewünscht, an dem Bands in freundschaftlicher Atmosphäre spielen können, denn so etwas sei selten in Berlin. Bald soll noch ein Open Mic Abend dazukommen, und am liebsten würde er das »Schillers« sowieso zur »Venue« für Berlins musikalische Subkultur machen.
Aber macht sich der junge Engländer damit nicht zum Teil der galoppierenden Gentrifizierung in Neukölln, die eigentlich solche Orte wie das »Schillers« verschwinden lässt? »Alles verändert sich,« erwidert Daniel, »man muss mitschwimmen, sonst ist es zu verwirrend«. Außerdem würden alteingesessene Leute wie der Wirt Waldemar auch profitieren. Die meisten Stammgäste heißen die Entwicklung im »Schillers« gut, auch wenn sie nicht alle zu den Konzertabenden kommen.
Das »Schillers« könnte ein ermutigendes Beispiel dafür sein, wie junge Leute sich einen Ort aneignen, ihn verändern und weiterentwickeln, ohne dass die Älteren weichen müssen. Vielleicht hat Neukölln hier sein erstes Mehrgenerationen-Kneipenprojekt gefunden.
jt
Die nächste »Schillers Music Night« findet am 10.12. statt.
Schillers
Schillerpromenade 26
täglich ab 14 Uhr.