Rollberger Geschichten

Mandys Rache

»Ick muss mal dringend für ’n paar Taje zu ’ner Freundin nach Spandau. Khalid is och wech. Hier!« sagte Mandy, als sie vor ein paar Tagen in ihrem pinken Lieblingsfreizeitanzug und mit frischlackierten neongrünen Fingernägeln völlig unerwartet im Wedding vor meiner Türe stand. Sie drückte mir eine Tüte mit frischem Fleisch, eine mit Knochen und Jan Klodes Leine in die Hand. »Halt! Warte!!!« Umsonst, sie war weg.mandy_okt_1
Bis dahin dachte ich, ich liebe Hunde. Aber Jan Klode ist ein American Staffordshire Terrier. Sein Kopf ist zweimal so breit wie meiner und seine Kieferknochen, die Wangenmuskulatur und sein Gebiss sehen aus, wie sein Knurren klingt: böse!
Es ist Samstagabend, und wir machen unseren ersten Spaziergang in Neukölln, wo ich in einer Kneipe einen Freund treffen will. Auf der Sonnenallee steht vor einem völlig überfüllten Falafelimbiss ein mit irgendwem im Laden Englisch sprechender Typ in Trägershirt, mit tätowierten, muskulösen Oberarmen, Vollbart, iPhone und quergestelltem Singlespeed Rad mitten auf dem Weg – seelenruhig.

mandy_okt_2Als Jan Klode unmittelbar vor ihm zu knurren beginnt, springt er mit einem »Shit!« zur Seite. In diesem Moment fühle ich mich großartig.
Ein paar Meter weiter versperrt vor einem neu eröffneten Chichi-Cold-Brew-Café eine Gruppe junger, aufdringlich laut und schrill Englisch sprechender Frauen den Bürgersteig: Einkaufstaschen neben sich, Oberschenkeltätowierungen, iPhone in der Hand, mir-gehört-die-Welt-und-an-erster- Stelle – dieser- Berliner- Gehsteig- Haltung im Gesicht. »Oh my God!« kreischt eine von ihnen, als Jan Klode vor ihren Füßen zu knurren anfängt, und alle stieben auseinander.

mandy_okt_3Wieder fühle ich mich großartig. Langsam macht mir die Sache Freude. In einer arabischen Metzgerei kaufe ich Jan Klode zwei Hammelfüße zur Belohnung. Er frisst sie mit einem einzigen Happs und wedelt das erste Mal, seit wir uns kennen, kurz mit dem Schwanz. Anschließend gehen wir einen großen Umweg über die Weserstraße. Als wir am Hermannplatz ankommen, ist Jan Klode heiser, und ich fühle mich so gut wie lange nicht mehr an einem Samstagabend in Neukölln.mandy_okt_4
Nach Mandys Rückkehr, wir sitzen bei einem Bier auf ihrem Balkon, erzähle ich ihr von Jan Klodes Knurren. Sie lacht kurz und sagt dann mit leiser Stimme, wie beiseite und mit dem geheimnisvollsten Lächeln, das ich jemals an ihr gesehen habe: »Du musst nur mit ihm umzujehn wissen.«

fs