Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

NK_Tagblatt-Kopf

Nr. 178 – Dienstag, 1. August 1916
Weibliche Schalterbeamte sind jetzt auf verschiedenen Großberliner Postämtern, auch in Neukölln, eingestellt worden. Sie versehen an denjenigen Schaltern Dienst, in denen Postanweisungen, Einschreibebriefe und Zahlkarten für den Postscheckverkehr entgegengenommen werden.

Nr. 180 – Donnerstag, 3. August 1916
Ein bedauerlicher Unfug häuft sich in der letzten Zeit auf den Brücken des Teltowkanals und des Neuköllner Schiffahrtskanals. Von Kindern, die anscheinend während der Ferien unbeaufsichtigt sind, wird abends auf die zurückkehrenden Dampfer Wasser herabgegossen, mit Steinen geworfen, gespuckt und ähnlicher Unfug getrieben. Es ist Vorsorge getroffen, daß die zuständigen Organe eine scharfe Aufmerksamkeit auf dieses Treiben richten werden. Es sei darauf hingewiesen, daß mit unnachsichtlicher Strenge gegen die Täter eingeschritten wird. Wir machen darauf aufmerksam, daß auch die Eltern oder sonstige verantwortliche Personen dieser Kinder, falls sie ihrer Aufsichtspflicht nicht genügend nachkommen, zur Rechenschaft gezogen werden.

Nr. 182 – Sonnabend, 5. August 1916
Besichtigung der Abteibrücke. Die von der Stadt Neukölln erbaute Abteibrücke wurde gestern von dem Geheimen Baurat Gerlach, Professor an der Danziger Hochschule, und mehreren Dozenten und Studenten besichtigt. Die Anlage fand bei den Herren allseitiges Interesse und lobende Anerkennung.

Nr. 183 – Sonntag, 6. August 1916
Die städtische Volksbücherei und Lesehalle in Neukölln hat nach wie vor auch im verflossenen Geschäftsjahr eine rege Inanspruchnahme aufzuweisen. Unter den Lesergruppen waren diesmal die Mannschaften und Unteroffiziere der in Neukölln garnisonierenden Ersatzbataillone in erfreulicher Zahl vertreten. Es wurden bei 94 089 Entleihungen 100 355 Bücher in der Hauptbücherei und an 22 218 Leser ebensoviel Bücher in der Jugendbücherei ausgegeben. Der Tagesdurchschnitt betrug zusammen 566 Bände bei 622 Abfertigungen. Wie in den früheren Jahren waren Romane und erzählende Schriften am meisten begehrt, auf sie entfielen 81 234 Bände. Den Leserkreis von insgesamt 8538 Personen stellten zumeist jugendliche Personen sowie Frauen mit und ohne Beruf, die männlichen Berufe waren mit 3240 Lesern vertreten. Der Büchereibestand zählte Ende März dieses Jahres 13 125 Bände.

Nr. 184 – Dienstag, 8. August 1916
Kriegstinte. Eine besondere Kriegstinte zum Beschreiben von leimschwachen Papieren ist jetzt fertiggestellt worden. Proben derartiger Tinten haben sich als brauchbar erwiesen. Es dürfte einige Zeit vergehen, bis die Kriegstinte im Handel zu haben ist. Der Unterrichtsminister hat schon jetzt in einer besonderen Verfügung es als zweckmäßig bezeichnet, in den Schulen auf die künftige Verwendung der Kriegstinte einzuwirken.

Nr. 189 – Sonntag, 13. August 1916
Die Wohnung, das Feld der Frau. Auf Veranlassung des Ministers des Innern ist seitens des Potsdamer Regierungspräsidenten angeordnet worden, daß das unlängst vom Gr. Berliner Verein für Kleinwohnungswesen herausgegebene Merkblatt »Die Wohnung, das Feld der Frau« durch die Standesämter jedem neuvermählten Paar übergeben wird. Ebenso hat der Reichsausschuß für
Kriegsverletztenfürsorge das Merkblatt allen seinen provinziellen Ausschüssen zur Verteilung empfohlen. Das Merkblatt gibt Ratschläge über die Wahl und besonders über die sachgemäße Pflege der Wohnung, deren Befolgung unbedingt nötig ist, um das Heim gesund und wohnlich zu gestalten. – Die große Nachfrage nach diesem Merkblatt, das vom Gr. Berliner Verein für Kleinwohnungswesen, Berlin W., Friedrich-Wilhelmstr. 12, in kleineren Mengen unentgeltlich bezogen werden kann, beweist deutlich die Notwendigkeit dieser volkstümlichen Schrift und den Sinn der städtischen Bevölkerungskreise für eine größere Behaglichkeit ihrer Kleinwohnungen.

Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1916 übernommen. Das Original befindet sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.

Eine Neuheit über der Spree

Die Abteibrücke ist die erste Bogenbrücke Deutschlands

Abteibrücke
brücke der Herzen.                                                                                                                                                                      Foto: mr

Leicht und elegant schwebt die Abteibrücke über der Spree. Sie verbindet den Treptower Park mit einer kleinen Insel, die mehrmals ihren Namen wechselte – Abteiinsel, Insel der Jugend und heute Insel Berlin. 2005 wurde der Zugang zur Abteibrücke zur »Brücke der Herzen«. Auf herzförmig geformten Fliesen werden Personen geehrt, die sich besonders um das Wohl von Kindern und Jugendlichen verdient gemacht haben.
1913 kaufte die Stadt Neukölln die Insel für 13 Millionen Mark. Das Wappen am Turm deutet noch heute darauf hin. Um die Insel, die zu dieser Zeit nur mit Fährbooten zu erreichen war, besser zugänglich zu machen, beauftragte die Stadt den Wiener Architekten und Bauingenieur Friedrich von Emperger, eine Stahlbetonbrücke mit einem großzügigen Brückenhaus zu planen.
Die im großen Bogen ohne Flusspfeiler gebaute Brücke wurde erstmals aus betonummanteltem Gusseisen hergestellt. Die beiden Brückentürme, die im Stil des Historismus gestaltet wurden, nehmen dabei Teile der Bogenkräfte auf. Der Bogen wurde 1916 mit Hilfe französischer und russischer Kriegs­gefangener betoniert. Die Gehbahn der Brücke ist mit schlanken Betonpfeilern auf beiden Seiten dem hochgewölbten Unterbogen aufgesetzt. Durch die lichte Höhe von neun Metern konnten auch große Dampfschiffe die Insel passieren, ohne den Schornstein umlegen zu müssen.
Am 1. Juli 1916 wurde die Brücke für den Verkehr freigegeben. Als erste Bogenbrücke in dieser Bauweise in Deutschland ist die Abteibrücke ein interessantes Denkmal der Produktions- und Verkehrsgeschichte und steht heute unter Denkmalschutz.

mr