Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

NK_Tagblatt-Kopf

Nr. 162 – Donnerstag, 13. Juli 1916
Der Körnerpark. Die verhältnismäßig arme Ausstattung des inneren ältesten Stadtteils Neuköllns mit größeren Erholungsplätzen und Freiflächen ließ bei der Stadtverwaltung schon früh die Erkenntnis reifen, daß man darauf bedacht sein müsse, jede sich etwa bietende Gelegenheit zu ergreifen, um durch Ankauf freien Geländes der Neuköllner Einwohnerschaft die zur Erhaltung ihrer Gesundheit erforderliche Zuführung von Licht und Luft zu gewährleisten. – Als im Jahre 1910 der inzwischen verstorbene Kiesgrubenbesitzer Franz Körner mit einem Verkaufsangebot seines zwischen Waßmannsdorfer, Selke=, Thomas und Schierkestraße belegenen Grundbesitzes an die Stadtgemeinde herantrat, wurde ihrerseits sogleich das Augenmerk darauf gerichtet, dasjenige Gelände, welches nach seinen Bodenverhältnissen die Möglichkeit einer günstigen städtebaulichen Entwicklung bot, einer ungünstigen Aufschließung zu entziehen. Auf dem zwischen Thomas= und Kirchhofstraße liegenden Gelände hatte in den 1880er Jahren eine erhebliche Bodenausbeute (Kiesgruben) stattgefunden, wodurch das nach der Hermannstraße zu höher belegene Gelände von dem nach der Bergstraße zu Abfallenden nahezu abgetrennt war.

Die Stadtverwaltung entschloß sich daher zur sofortigen Einleitung von Verhandlungen, welche den Erwerb des Körnerschen Geländes zum Zwecke der Anlegung eines Volksparks zum Gegenstande hatten. Diese Verhandlungen führten zunächst zum Erwerb von 819 Quadratruten. Von den angrenzenden Grundeigentümern wurden nach und nach weitere Flächen erworben, so daß an Grunderwerbskosten rund eine halbe Million aufgewendet worden sind. Die gärtnerische Ausgestaltung der Parkanlage ist jetzt nahezu fertiggestellt. An der Westseite im Zuge der Selkestraße liegt unter der Terrasse, die geschmackvoll ausgeführte Orangerie, die u. a. zum Ueberwintern von Blattpflanzen u. dgl. dienen soll. In den an der Südseite erbauten Räumlichkeiten wird eine Sammlung von altertümlichen Funden als Museum ausgebaut und dem Publikum zugänglich gemacht werden.

Nr. 164 – Sonnabend, 15. Juli 1916
Fußball keine Lustbarkeit. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, daß Fußballspiel auch dann keine Lustbarkeit und steuerpflichtig im Sinne mancher Verordnung über Lustbarkeiten ist, wenn für den Zutritt des Publikums ein Eintrittsgeld erhoben wird. Der Zweck der Wettspiele sei die Förderung und Erhaltung körperlicher Gesundheit, die Gewinnung neuer Mitglieder usw. Von einer steuerpflichtigen Lustbarkeit könne nicht gesprochen werden, selbst dann nicht, wenn Eintrittsgeld erhoben würde und Personen an den Wettspielen Vergnügen fänden.

Nr. 173 – Mittwoch, 26. Juli 1916
Kleidungszwang für Ruderer. Der Vorstand des Potsdamer Königlichen Wasserbauamts veröffentlicht unter Hinweis auf die Polizeiverordnung vom 20. Mai 1914 ein Verbot, das auf der Havel und allen ihren Nebengewässern zwischen Berlin und Paretz jeden mit Geldstrafe bedroht, der sich unbekleidet oder nur in einer Badebekleidung in Booten und anderen Wasserfahrzeugen aufhält. Die Insassen von Ruder= und sonstigen Vergnügungsbooten werden auf die genaueste Beachtung dieser Vorschrift hingewiesen, da Uebertretungen mit Geldstrafe bis zu 60 M. oder mit entsprechender Haft bestraft werden.

Nr. 177 – Sonntag, 30. Juli 1916
Ein weiblicher Zugführer. Die Frauenwelt hat sich ein weiteres Betätigungsfeld erobert. Auf der Stadtbahn sieht man jetzt zum ersten Male einen weiblichen Zugführer. Mit Sicherheit und Gewandtheit verließ die neue Beamtin nach Art eines geübten Zugbegleiters ihr Abteil auf den Haltestellen und schwang sich bei der Abfahrt auf das Trittbrett, um während der Fahrt wieder einzusteigen. Als ob sie eine langjährige Uebungszeit hinter sich hätte, wurde sie mit den ungewohnten Obliegenheiten fertig. Anerkennende Blicke begleiteten sie überall und mit stillem Lächeln quittierte das Publikum über diesen neuen friedlichen Sieg der Frau.

Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1916 übernommen. Das Original befindet sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.

Von der Kiesgrube zum Park

Ein unerwartetes Idyll in einem rauen Kiez

Der Kiesgrubenbesitzer Franz Körner war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein begeisterter Gärtner. Als seine Kiesgrube an der Jonasstraße erschöpft war, legte er dort bereits 1890 eine Parkanlage mit Karpfenteich und Blumenfeldern an. Direkt daneben, in der Jonasstraße 66, ließ er seine Sommerresidenz errichten.

Körnerpark
Körnerpark mit Blick auf Franz Körners Haus.           Foto: historische Postkarte, Museum Neukölln

Die Idee, den Garten zu einem Volkspark zu erweitern, kam vom damaligen Stadtbaurat und Leiter des Hochbauamtes Reinhold Kiehl. Um sein Erbe zu bewahren, schenkte der schwer kranke Körner 1910 der Stadt einen Teil seines Grundstücks für den Bau eines öffentlichen Parks, einen anderen Teil verkaufte er ihr für 200.000 Mark. Außerdem handelte er Steuerbefreiung für seine Erben aus, ein Museum für seine Sammlung prähistorischer Funde und einen Baustopp bis zu seinem Tod.
Der Ankauf zusätzlicher Parzellen für die Erweiterung des Parks verteuerte das Projekt erheblich. Am Ende waren die Gesamtkos­ten auf eine Million Mark gestiegen.
Sahen die ersten Entwürfe noch einen englischen Garten mit verschlungenen Wegen vor, entschied man sich dann aber doch für einen Barockgarten im französischen Stil mit geometrisch angelegten Blumenbeeten, einer Orangerie und Arkadenwänden, die den Park im Norden und Süden begrenzen.
Die baulichen Anlagen waren bereits im Mai 1914 fertig. Durch den Ausbruch des Krieges dauerte es dann aber noch bis zum Juli 1916, bis auch die Gartenanlagen fertiggestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. mr