Bürokratie wider Menschlichkeit – BVV debattiert über die Berliner Abschiebepraxis
Ayla ist sieben Jahre alt und Klassenbeste in ihrer Grundschule. Ihre beiden jüngeren Geschwister besuchen eine Kita. Die Eltern stammen aus Aserbaidschan, einem Land, in dem seit Jahren ein Bürgerkrieg um die abtrünnige Region Berg-Karabach tobt, und leben seit 16 Jahren in Berlin. Die Kinder wurden in Neukölln geboren. Dennoch war die Familie bislang nur geduldet. Jetzt soll sie abgeschoben werden. Das hat Innensenator Henkel (CDU) gegen die Empfehlung der Härtefallkommission entschieden. Das Problem: Der Vater hatte bei seiner Einreise falsche Angaben zur Person gemacht. Für die Kinder heißt das: Sie verlieren ihre Heimat und werden in ein Land geschickt, das sie nie zuvor gesehen haben.Dagegen protestierte nicht nur die Schule, die Ayla besucht, und viele Nachbarn und Freunde der Familie, sondern jetzt auch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). In ihrer Sitzung am 15. Juni forderten die Fraktionen der SPD, Grünen, Linken und Piraten den Innensenator in einer gemeinsamen Resolution auf, die Abschiebung zu verhindern.
Allein die CDU wollte den Antrag nicht unterstützen. »Das ist ein rechtsstaatliches Verfahren, das hier zum Abschluss gekommen ist«, sagte Fraktionsvorsitzender Gerrit Kringel. Das müsse respektiert werden. Andernfalls würde die Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt.
»Rechtsstaatlichkeit ist etwas, was wir alle wollen, aber Politik muss auch nach Ermessen handeln«, sagte dagegen Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey. »Wir sollten Leuten, die sich integrieren wollen, nicht die Tür vor der Nase zuschlagen.«
Ordnung und Sauberkeit sind dagegen Themen, die der CDU besonders am Herzen liegen. In einer großen Anfrage wollte sie wissen, wie das Bezirksamt die Vermüllung der Anlagen vor dem Standesamt in der Blaschkoallee durch Konfetti, Sektflaschen und andere Hinterlassenschaften der Hochzeitsgesellschaften in den Griff bekommen will und welche Maßnahmen ergriffen werden können, »damit der Vorplatz sauber bleibt«?
Das Standesamt bemühe sich, die Hochzeitspaare für diese Problematik zu sensibilisieren und verteile deshalb Flyer mit Hinweisen zur Müllvermeidung an die Brautpaare. Aber »die Ratio von Hochzeitsgesellschaften befindet sich sehr häufig in einem gewissen Ausnahmezustand«, erklärte dazu Franziska Giffey. Dabei musste nicht nur die Bürgermeisterin so lachen, dass sie kaum weitersprechen konnte. Fast die gesamte BVV stimmte in das Gelächter mit ein. Nur die CDU war sauer und fühlte sich nicht ernst genommen. Schließlich seien es Steuergelder, die dafür aufgewendet würden, meinte Ute Lanske, die Fragestellerin.
Ein Grund zur Freude für viele Bewohner Nordneuköllns ist dagegen der Beschluss, die Quartiere Rollberg/Körnerpark, Flughafenstraße/Donaustraße und Rixdorf noch vor der Sommerpause als Milieuschutzgebiete auszuweisen. Damit folgt die SPD den Oppositionsparteien, die das bereits seit Jahren fordern.
mr