Neue Ideen für alte Friedhöfe

Entwicklungskonzept für die Gottesäcker an der Hermannstraße

Neukölln hat deutlich mehr Friedhöfe als tatsächlich benötigt werden. Einer der Gründe dafür ist der Wandel der Bestattungskultur. Die Urnenbestattung ist inzwischen zur Regelbestattung geworden. Dadurch ist der Flächenbedarf seit 1980 um 50 Prozent zurückgegangen und die sinkenden Einnahmen decken die Kosten für den Erhalt der gesamten Friedhofsfläche immer weniger. Für die Friedhöfe an der Hermannstraße hat der »Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte« daher ein Entwicklungskonzept erarbeiten lassen, das ökologische, kulturelle, religiöse, soziale und wirtschaftliche Ziele berücksichtigt.

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Grabmonument.                                                                                                                                                                            Foto: mr

Am 13. Februar gab es im Nachbarschaftsheim in der Schierker Straße mit einer Informationsveranstaltung und Ortsbegehungen eine erste öffentliche Bestandsaufnahme. Die Planungen sehen vor, dass die beiden Friedhöfe östlich der Hermannstraße, »Alter St. Thomas Friedhof« und »Neuer Luisenstädtischer Friedhof« als zentrale Friedhofstandorte erhalten bleiben und auch für andere Glaubensgemeinschaften geöffnet werden. Die Alevitische Gemeinde hat auf dem »St.Thomas Friedhof« bereits eine Fläche erworben. Hier soll künftig auch ein Café angesiedelt werden. Im hinteren Bereich könnten dringend benötigte Freiflächen für die benachbarten Grundschulen entstehen.
Der »Neue St. Thomas-Friedhof« wird als Ausgleichsfläche für den Bau der A 100 zu einer öffentlichen Grünanlage umgestaltet.
Auf dem »Friedhof Jerusalem V« werden neue Nutzungsrechte ausschließlich an die »Bulgarisch-Orthodoxe Gemeinde zu Berlin« vergeben, die seit 2002 die Backsteinkapelle für Gottesdienste gepachtet hat und die angrenzenden Flächen für Bestattungen nutzt. Auf dem westlichen Teil des Friedhofs befinden sich die Reste eines ehemaligen Zwangsarbeiterlagers. Hier soll eine Gedenkstätte entstehen. In direkter Nachbarschaft an der Netzestraße plant der Friedhofsverband eine Wohnanlage für Flüchtlinge mit 130 Plätzen mit dem »Diakoniewerk-Simeon« als Träger. In dem U-förmig angelegten Bau sollen Appartments und Mehrzimmerwohnungen für Familien entstehen. Eine große Rolle spielt dabei der Integrationsgedanke. »Es sollen nicht nur Gebäude, sondern Nachbarschaften entstehen«, sagt Jürgen Quandt, Geschäftsführer des evangelischen Friedhofsverbandes.
Der »Neue St. Jacobi Friedhof« zwischen Emser Straße und Warthestraße könnte im östlichen Bereich als muslimische Begräbnisstätte zur Verfügung gestellt werden. Allerdings müsste dafür auf muslimischer Seite ein Träger gefunden werden. Im westlichen Bereich sind ein Bildungsstandort, ein Spielplatz und Wohnungsbau vorgesehen. Dieser Bereich wird derzeit zum Teil noch vom »Rollheimer-Dorf« als Wohnstandort genutzt.
An allen Friedhöfen sollen entlang der Hermannstraße die sanierungsbedürftigen gewerblichen Flachbauten durch Geschossbauten in Traufhöhe ersetzt werden.
Bis zur Umsetzung dieser Planungen wird noch einige Zeit ins Land gehen, denn zum einen sind die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten und Pietätsfristen zu berücksichtigen. Zum anderen sind für den größeren Teil der vorgeschlagenen Vorhaben Bebauungsplanverfahren erforderlich, die sich im Durchschnitt über einen Zeitraum von rund drei Jahren erstrecken. 

mr