Jana Treffler berichtet aus Paris
Ein Freitagabend, der beginnt wie jeder andere. Ein Glas Wein, Essen gehen mit der Familie oder Kino mit dem Freund, das Leben in Paris spielt sich draußen ab. Ein Freitag, nach dem alles anders ist.
Der Schrecken des Terrorismus ist wieder einmal nach Paris gekom- men, wieder ist uns die Realität unserer Welt grausam nahe gerückt. Das ganze Wochenende laufen die Sondersendungen im Radio, die Life-Ticker der Nachrichtenportale, das Fernsehen, das die Kriegs-rhetorik der Politiker mit Lichtgeschwindigkeit in die Wohnzimmer der Menschen trägt. Wir alle seien angegriffen, in unserer Lebensart, in unseren Werten, insbesondere die Jugend, also die schon ausge-rufene »Generation Bataclan«. Damit bin dann wohl ich gemeint.
Ich nehme mir fest vor, mich nicht den Ereignissen zu unterwerfen, nicht ängstlich zu werden, doch dann fallen meine Kurse an der Uni in St. Denis aus, weil sich dort bei einem Polizeieinsatz eine Frau in die Luft gesprengt hat, und ich merke, wie sich mein Leben zwangsläufig ändern wird.Die Stadt erholt sich nur langsam aus ihrem Schockzustand. Meine Freunde wollen lieber nicht ausgehen, lieber nicht an den großen Metrostationen umsteigen. Dafür nehmen sie zahlreich das Face- book-Angebot an, ihr Profilbild per Mausklick in den französischen Nationalfarben erstrahlen zu lassen. Dass dieses Zusammenrücken über nationale Symbole und Rituale unweigerlich dem Front National bei den kommenden Regionalwahlen in die Hände spielen wird, will im Moment keiner hören.
Mitgefühl und Anteilnahme dürfen nicht wegrationalisiert werden, doch eine objektive Analyse der Ereignisse, die jene Strukturen aufdeckt, welche immer wieder zu solchen Schreckenstaten führen werden, ist unerlässlich. Das wachsende Misstrauen gegen Immi- granten und der Wunsch nach der unerreichbaren absoluten Sicher- heit wird nicht nur Frankreich verändern, wo schwer bewaffnete Militärpolizisten ohnehin schon lange Teil des öffentlichen Raums sind. Ganz Europa wird auf dem schmalen Grat zwischen Nationa-lismus und Solidarität, zwischen Freiheit und Sicherheit eine Entscheidung treffen müssen, die unser Leben in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen wird.